Das OLG Hamm hat am 15.11.2016, Az. 26 U 37/14, entschieden, dass ein Krankenhaus, dass eine Patientin erstmalig fehlerhaft operiert hat, auch für die Folgen einzustehen hat, die in einer anderen Klinik durch eine zweite, grob fehlerhafte Behandlung hervorgerufen wurden.
Was ist passiert?
Aufgrund einer Magenanomalie (Upside-Down-Stomach in Form einer großen Fornixkaskade) litt die im Jahre 1962 geborene Patientin an erheblichen Magenbeschwerden. Im April 2009 ließ sie diese im beklagten Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Die Nähte wurden bei der Operation so fehlerhaft gesetzt, dass es erneut zum Abkippen und einer Verdrehung des Magens kam. Im Juni 2009 wurde die deswegen notwendige Revisionsoperation in einer Klinik in Herne durchgeführt. Der Operateur löste bei dieser Operation die bei der ersten Operation fehlerhaft fixierten Nähte. Er versäumte es aber, den Magen der Klägerin nunmehr korrekt zu befestigen. Im Anschluss blieb die deswegen weiterhin bestehende Abkippung des Magens längere Zeit unbehandelt und löste bei der Klägerin eine Magenblähung aus. Diese machte schließlich eine Magenteilresektion notwendig, in deren Folge es zu einer Magentransportschädigung kam. Zudem stellten sich Wundheilungsstörungen ein. Die Klägerin wurde aufgrund dieser Folgen bis zum Jahre 2013 wiederholt stationär behandelt und mehrfach operiert.
Die Klägerin hat vom beklagten Krankenhaus 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen mit 2.600 Euro pro Monat für die Zeit ab der ersten Operation berechneten Haushaltsführungsschaden begehrt. Sie vertrat die Auffassung, dass das beklagte Krankenhaus auch für die fehlerhafte Revisionsoperation und die weiteren Komplikationen einzustehen habe, die alle eine Folge der fehlerhaft durchgeführten ersten Operation seien.
Das LG Bochum hat der Klägerin 8.000 Euro Schmerzensgeld und einen für drei Monate berechneten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 4.680 Euro insbesondere mit der Begründung zugesprochen, dass die fehlerhafte Revisionsoperation den Kausalzusammenhang unterbrochen habe, so dass das beklagte Krankenhaus nicht mehr für die Schäden hafte, die nach dieser Operation eingetreten seien.
Was sagt das OLG Hamm dazu?
Vor dem OLG Hamm war die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil war überwiegend erfolgreich. Das Oberlandesgericht, durch medizinische Sachverständige beraten, hat der Klägerin 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen – bis Ende des Jahres 2013 – mit 30.160 Euro berechneten Haushaltsführungsschaden und für die Folgezeit Haushaltsführungskosten von monatlich 156 Euro zugesprochen.
Das beklagte Krankenhaus schuldet der Klägerin für den zwischen den Parteien nicht mehr umstrittenen Behandlungsfehler bei der ersten Operation nach Auffassung des Oberlandesgerichts Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz. Die fehlerhafte Fixierung des Magens sei dabei als einfacher Behandlungsfehler einzustufen. Das beklagte Krankenhaus hafte allerdings auch für die weiteren Schadensfolgen, die auf diesen Behandlungsfehler zurückzuführen seien. Die fehlerhafte Revisionsoperation im Juni 2009 habe entgegen der Auffassung des Landgerichts den rechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem ersten Behandlungsfehler und den weiteren Schadensfolgen nicht unterbrochen. Zwar sei es bei der Revisionsoperation grob behandlungsfehlerhaft versäumt worden, den Magen der Klägerin korrekt aufzuhängen. Aufgrund der behandlungsfehlerhaften Erstoperation sei die Revisionsoperation aber notwendig gewesen. Der erstbehandelnde Arzt habe in einem solchen Fall haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff und die mit ihm verbundenen Folgen einzustehen. Grundsätzlich gelte dies auch, wenn der weitere Eingriff behandlungsfehlerhaft erfolge. In derartigen Fällen sei eine Ausnahme nur dann zu machen, wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht lasse und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoße, dass der nach seiner Zweitbehandlung eingetretene Schaden im Rahmen einer haftungsrechtlichen Bewertung allein seinem Handeln zuzuordnen sei. Nur ein besonders grober Behandlungsfehler lasse daher den Zurechnungszusammenhang zu einem früheren Behandlungsfehler entfallen.
Dem Operateur der Revisionsoperation sei ein solcher besonders grober Behandlungsfehler nicht unterlaufen. Insoweit folge das Oberlandesgericht der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen, die dieser unter Berücksichtigung der Zeugenaussage des Operateurs abgegeben habe. Zwar sei der Fehler bei der Revisionsoperation als schwerwiegend, aber noch nicht völlig ungewöhnlich und unsachgemäß einzustufen.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei der besonders langwierige und komplikationsträchtige Krankheitsverlauf der Klägerin zu berücksichtigen. Die Klägerin habe sich von Mai 2009 bis Ende 2013 vielfachen ärztlichen Behandlungen und Operationen mit stationären Aufenthalten unterziehen müssen. Nach wie vor sei Sie erheblich beeinträchtigt und werde ihr gesamtes weiteres Leben lang abdominellen Belastungsschmerzen ausgesetzt sein. Die Klägerin sei in ihrer Haushaltsführung unter Berücksichtigung des eingeholten Sachverständigengutachtens bis Ende des Jahres 2013 weitgehend zu einem Drittel und in der Folgezeit noch zu 10% beeinträchtigt, hiernach bemesse sich der zugesprochene Haushaltsführungsschaden.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 16.12.2016 und Juris das Rechtsportal
RH