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SG Darmstadt, Urt. v. 24. Januar 2011 – S 18 P 25/10

1.) Die Kostenforderung gemäß § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI ist keine hoheitliche Maßnahme, sondern die Geltendmachung einer Forderung im Rahmen des Vertragsvollzugs. Widerspruch und Anfechtungsklage sind daher nicht statthaft.
2.) Kostenerstattung gemäß § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI kann nur in dem Umfang verlangt werden, wie er im Rahmen eines Aufwendungsersatzes im Sinne des § 670 BGB geschuldet wird. Zu erstatten sind daher nur Aufwendungen, die tatsächlich im Einzelfall entstehen, die nachweisbar sind und die nicht allgemeine Verwaltungskosten sind. Die Darlegungslast trifft die Landesverbände der Pflegekassen.

(Leitsätze des Bearbeiters)

Der Fall:
Die Beteiligten stritten um die Frage der Kostentragung für eine so genannte Wiederholungsprüfung gemäß § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI.

Die beklagten Landesverbände der Pflegekassen in Hessen hatten den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) mit einer Prüfung des ambulanten Pflegedienstes der Klägerin im Dezember 2009 beauftragt. Nach Anhörung der Klägerin erließen die Beklagten im März 2009 einen Mängelbescheid nach § 115 Abs. 2 SGB XI. Darin waren mehrere „sofort“ und mehrere bis zum 31. Juli 2009 umzusetzende Maßnahmen aufgeführt. Zudem wiesen die Beklagten darauf hin, dass sie den MDK zu gegebener Zeit mit einer Wiederholungsprüfung beauftragen würden. Deren Kosten hätte die Klägerin zu tragen.

Die Klägerin erhob hiergegen keinen Widerspruch.

Nach Auftrag der Beklagten aus dem Juni 2009 unterzog der MDK die Einrichtung der Klägerin am 13. Juli 2009 einer Wiederholungsprüfung. Im Prüfbericht bescheinigte der MDK der Klägerin, zielführende Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung eingeleitet zu haben. Die vereinbarten Sofortmaßnahmen seien umgesetzt worden.

Mit Schreiben vom 09. September 2009 stellte der MDK den Beklagten einen Betrag in Höhe von € 1.168,00 (= 10 Stunden á 116,88 € /Stunde) in Rechnung. Dabei lag ein Tagessatz (7,7 Stunden/Tag) für eine Pflegekraft von € 900,00 zu Grunde.

Unter dem 15. Oktober 2009 reichten die Beklagten die Rechnung des MDK an die Klägerin weiter. Zusätzlich addierten sie 1,5 Arbeitsstunden zu einem Stundenlohn von € 60,00 eigener Mitarbeiter für das Erstellen, Prüfen, Lesen, Bewerten und Versenden eines Prüfberichts und das Verfassen eines positiven Ergebnisschreibens. Insgesamt forderten die Beklagten einen Betrag in Höhe von € 1.258,80.

Die Klägerin erhob gegen die Rechnung Widerspruch. Sie machte u.a. geltend, allgemeine Verwaltungs- und Vorhaltekosten könnten nicht gefordert werden. Dabei handele es sich nicht um Kosten der Wiederholungsprüfung. Im Hinblick auf diesen Gesetzeswortlaut sei es erforderlich, die Kostenforderung des MDK aufzuschlüsseln.

Die Beklagten haben den Widerspruch als unstatthaft zurückgewiesen. Es handele sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Rechnung.

Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat die Rechnung vom 15. Oktober 2009 angefochten und beantragt, die Rechnung aufzuheben. Hilfsweise hat sie beantragt festzustellen, dass den Beklagten keine Forderung gegen sie zusteht.

Die Entscheidung:
Das SG Darmstadt hat die Klage als negative Feststellungsklage für begründet erachtet.

Eine Anfechtungsklage sei nicht statthaft. Bei der Rechnung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Dies ergebe sich daraus, dass das Rechtsverhältnis der Klägerin durch die vertragliche Bindung des aufgrund des Versorgungsvertrages geprägt sei. Die Kostenforderung sei keine statusbegründende hoheitliche Maßnahme, sondern die Geltendmachung einer Forderung im Rahmen des Vertragsvollzugs.

Die Beklagten hätten aber keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von € 1.258,80 gegen die Klägerin. Ein solcher Anspruch lasse sich aus § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI nicht herleiten.

Der dortige Begriff der „Kosten“ sei vor dem Hintergrund seines Regelungszusammenhanges und durch Rückgriff auf sachlich entsprechende Normen auslegbar. Er umfasse alle tatsächlich entstandenen Aufwendungen bei der Durchführung einer Wiederholungsprüfung.

Im Rahmen einer Wiederholungsprüfung gemäß § 114 Abs. 5 S. 3 SGB XI im Auftrag der Pflegeeinrichtung seien entsprechend dem Rechtsgedanken des § 670 BGB im zivilrechtlichen Auftragsrecht nur die aufgrund des Auftrages anfallenden Kosten zu erstatten.

Nichts anderes könne gelten, wenn die Wiederholungsprüfung nicht im Auftrag der Pflegeeinrichtung stattfinde, sondern von Amts wegen veranlasst werde. Das Gesetz differenziere hinsichtlich der Kostenfolge nicht zwischen beiden Anlassarten für eine Wiederholungsbegutachtung. Der Kostenbegriff könne daher inhaltlich nicht anders ausgestaltet sein.

Kostenerstattung gemäß § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI könne daher nur in dem Umfang verlangt werden, wie er im Rahmen eines Aufwendungsersatzes im Sinne des § 670 BGB geschuldet werde. Zu erstatten seien daher nur Aufwendungen, die konkret im Einzelfall entstehen, nachweisbar sind und die nicht allgemeine Verwaltungskosten sind.

Diesen Anforderungen genüge die Kostenforderung der Beklagten nicht. Die Berechnung des Stundensatzes basiere auf Durchschnittswerten und setze in Teilbereichen Pauschalen ein. Er beinhalte außerdem Verwaltungs- und Vorhaltekosten.

Es werde schon nicht der konkrete Stundenlohn des eingesetzten Prüfers, sondern der Durchschnittsverdienst eines Tarifbeschäftigten mit zwei Kindern angesetzt. Dasselbe gelte für die Anwendung einer Reisekosten und Bearbeitungspauschale in Höhe von € 320,00.

Schließlich sei die Kammer auch nicht in der Lage gewesen, auch nur eine begründete Teilforderung der Beklagten zu ermitteln. Herzu hätte es eines substantiierten Vorbringens bedurft, welche tatsächlichen Aufwendungen angefallen waren. Da die Darlegungslast bei den Beklagten liege, sei der Klage in vollem Umfang stattzugeben.

Konsequenzen für die Praxis:

Den Streitigkeiten betreffend die Erstellung und Veröffentlichung von Transparenzberichten folgt nun ein weiteres Problemfeld.

Dabei stellt das SG Darmstadt die anzuwendenden Rechtsgrundsätze zutreffend heraus. Die Entscheidung verdient uneingeschränkte Zustimmung.

Pflegeeinrichtungen, die von Kostenforderungen aufgrund von Wiederholungsprüfungen betroffen sind, ist eine eingehende Prüfung der Rechnungen zu empfehlen. Keinesfalls sollten Rechnungsbeträge unbesehen bezahlt werden. Insbesondere auch in Sachsen-Anhalt verfahren die Landesverbände der Pflegekassen und der MDK jedenfalls nach demselben Muster pauschaler Rechnungsstellung. Dem hat das SG Darmstadt nun einen Riegel vorgeschoben.
(LH)