LG Magdeburg, Urt. v. 08. September 2010 – 2 S 226/10
Formuliert ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten, von dem aufgrund einer urheberrechtswidrigen Verbreitung eines Musikalbums in einer so genannten Musik-Tauschbörse die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gefordert wird, eine so genannte modifizierte Unterlassungserklärung und sorgt für deren Abgabe, ist für die Gebührenabrechnung des Rechtsanwalts diesbezüglich ein Gegenstandswert in Höhe von € 5.000,00 anzunehmen. Vom Rechteinhaber geltend gemachte Schadensersatz- und Vergütungsansprüche sind hinzuzusetzen.
(Leitsätze des Bearbeiters)
Der Fall:
Der Beklagte war von den Rechtsanwälten Rasch für die Universal Music GmbH wegen der Verbreitung des Musik-Albums „Give me fire“ der Künstlergruppe „Mando Diao“ in einer Tauschbörse bzw. einem so genannten Filesharing-System abgemahnt worden. Vom Beklagten wurde die Abgabe einer der Abmahnung beigefügten strafbewehrten Unterlassungserklärung gefordert. Zudem sollte der Beklagte Schadensersatz in Höhe von € 1.200,00 zahlen.
Um sich dagegen zu verteidigen, beauftragte der Beklagte einen Rechtsanwalt. Der Rechtsanwalt änderte die vorgegebene Unterlassungserklärung ab und formulierte eine so genannte modifizierte Unterlassungserklärung. Er tauschte dann noch weitere Korrespondenz mit den Rechtsanwälten Rasch aus, weil diesen die modifizierte Unterlassungserklärung zunächst nicht ausreichte.
Nach Beendigung seiner außergerichtlichen Tätigkeit legte der Rechtsanwalt seine Rechnung. Dabei ging er von einem Gegenstandswert von € 50.000,00 aus. Der Beklagte sollte folglich eine Summe in Höhe von € 1.641,96 an seinen Rechtsanwalt bezahlen.
Damit war der Beklagte jedoch nicht einverstanden.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von in Höhe von € 249,90 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Beklagte habe nur einen anwaltlichen Rat erhalten. Er habe deshalb nur die Ratsgebühr in Höhe von € 190,00 zzgl. Auslagenpauschale (€ 20,00) und Umsatzsteuer zu zahlen.
Die Entscheidung:
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hatte teilweise Erfolg. Das Landgericht Magdeburg hat den Beklagten zur Zahlung von € 603,93 nebst Zinsen verurteilt.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei die Tätigkeit des Rechtsanwalts über die bloße Erteilung eines Rechtsrats hinausgegangen. Der Rechtsanwalt habe nicht lediglich zur Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung geraten. Vielmehr sei auch tatsächlich eine Abänderung erfolgt. Fertige der Rechtsanwalt zu ungünstigen Vertragsbedingungen einen Gegenentwurf, liege ein über die reine Beratung hinausgehender Auftrag vor.
Es handele sich zudem auch nicht nur um ein einfaches Schreiben im Sinne von Nr. 2003 VV RVG. Zwar möge die Abwicklung derartiger Mandate durch den Rechtsanwalt inzwischen mit Textbausteinen standardisiert sein. Doch gingen dieser Standardisierung umfangreiche Vorarbeiten, insb. die Überwachung und Einarbeitung der aktuellen Rechtsprechung, voraus.
Der vom Rechtsanwalt angenommene Gegenstandswert in Höhe von € 50.000 sei jedoch überhöht.
Für die Abgabe der Unterlassungserklärung sei ein Gegenstandswert in Höhe von € 5.000,00 angemessen.
Auch wenn durch das Zugänglichmachen von Filmen und Musik über Filesharing-Systeme die Musikindustrie in erheblichem Umfang schädige, habe die Streitwertbemessung keine abschreckende oder gar sanktionierende Wirkung. Vielmehr orientiere sich der Streitwert am Wertinteresse des Gläubigers und an der Intensität der Rechtsverletzung.
Der Beklagte habe nur ein einziges urheberrechtlich geschütztes Album angeboten. Ferner sei der Zeitraum des Zurverfügungstellens lediglich auf den Zeitraum des eigenen Herunterladens beschränkt gewesen. Darlegungen zur wirtschaftlichen Bedeutung des Albums „Give me fire“ der Künstlergruppe „Mando Diao“ für die Universal Music GmbH und damit zum wirtschaftlichen Wert der Urheberrechtsverletzung seien nicht erfolgt. Damit sei lediglich eine bagatellartige Rechtsverletzung anzunehmen. Diese könne einen Streitwert in Höhe von € 50.000,00 nicht rechtfertigen.
Auch eine gewerbliche Nutzung sei nicht anzunehmen. Eine solche würde nur vorliegen, wenn die Bereitstellung zur Erlangung eines wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils erfolgt ist.
Dem Gegenstandswert für die Unterlassungserklärung seien noch die von den Rechtsanwälten Rasch geltend gemachten Schadensersatz- und Vergütungsansprüche in Höhe von € 1.200,00 hinzuzusetzen. Auch deren Abwehr war Gegenstand des Auftrags an den Rechtsanwalt.
Der Beklagte habe demnach eine Geschäftsgebühr in Höhe von € 487,50 basierend auf einem Gegenstandswert in Höhe von € 6.200,00 (= € 5.000,00 + € 1.200,00),die Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von € 20,00 sowie die gesetzliche Umsatzsteuer in Höhe von € 96,43 zu zahlen. Dies ergebe einen Gesamtbetrag in Höhe von € 603,93.
Konsequenzen für die Praxis:
Das Urteil betrifft in seinem Kern nur die Frage der Kosten des eigenen Anwalts bei einer Verteidigung gegen eine Abmahnung.
Die Argumente des Gerichts, dass der Streitwertbemessung keine abschreckende oder gar sanktionierende Wirkung zukommt, es sich beim kurzzeitigen Anbieten eines einzelnen Musikalbums in einer Tauschbörse nur um eine bagatellartige Rechtsverletzung handelt und keine gewerbliche Nutzung anzunehmen sei, können aber ggf. auch im Rahmen eines Streits um die von den Rechteinhabern bzw. Abmahn-Anwälten geforderten Abmahnkosten nützlich sein: Warum nämlich das Interesse an der Vornahme einer Abmahnung höher zu bewerten sein sollte als das Interesse an einer Abwehr, wird schwerlich zu erklären sein. Ein und derselben Angelegenheit können jedenfalls nicht je nach Standpunkt unterschiedlich hohe Gegenstandswerte beigemessen werden. Folglich können auch die von den Abmahn-Anwälten geforderten Rechtsanwaltskosten nicht höher ausfallen.
Die höchst umstrittene Frage, ob bei einer Tauschbörsen-Abmahnung nicht sogar die so genannte 100-Euro-Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG eingreifen kann, hatte das LG Magdeburg (leider) nicht zu entscheiden.
(LH)