Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen. Und zwar hat der BGH darüber am 09.07.2024, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23, entschieden. Und zwar hat der BGH im Rahmen von zwei Musterfeststellungsklagen über die Revisionen von Verbraucherschutzverbänden gegen die Musterfeststellungsurteile der Oberlandesgerichte Dresden vom 22. März 2023 und Naumburg vom 8. Februar 2023 über den Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen entschieden.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen. Und lag der Entscheidung des BGH in der Revision folgendes zugrunde:
Musterkläger in beiden Verfahren in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene Verbraucherschutzverbände. Beklagte sind Sparkassen, die in den Jahren 1993 bis vor Juli 2010 mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge mit einer variablen Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach – bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr – gestaffelte verzinsliche Prämie.
Die in den Sparverträgen zur Änderung des variablen Zinssatzes enthaltenen Regelungen sind nach Ansicht der Musterkläger unwirksam. Außerdem halten die Musterkläger die während der Laufzeit der Sparverträge von den Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.
Mit ihren Musterfeststellungsklagen begehren die Musterkläger u.a. die Bestimmung eines Referenzzinses, der für die von den Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen maßgebend ist. In dem Verfahren XI ZR 44/23 möchte der dortige Musterkläger darüber hinaus festgestellt wissen, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsklausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung bezieht, die in beiden Fällen höchstrichterlich festgelegt worden sind.
Die Vorinstanzen und Ziele in der eingelegten Revision
Jeweils mit sachverständiger Hilfe haben die Oberlandesgerichte (Oberlandesgericht Naumburg – Urteil vom 8. Februar 2023 – 5 MK 1/20 – und Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 22. März 2023 – 5 MK 1/22 -) festgestellt, dass die Musterbeklagten jeweils verpflichtet sind, die Zinsanpassungen in den Sparverträgen auf der Grundlage der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WU9554) vorzunehmen. In dem Verfahren XI ZR 44/23 (Vorinstanz OLG Dresden) hat das Oberlandesgericht zu der begehrten verjährungsrechtlichen Feststellung die Klage abgewiesen.
Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen. Ihre Feststellungsziele verfolgen die Musterkläger mit der Revision jeweils weiter, soweit die Oberlandesgerichte die Klagen abgewiesen haben. Insbesondere möchten sie die Feststellung erreichen, dass die Zinsanpassungen auf der Grundlage von gleitenden Durchschnittswerten der letzten zehn Jahre der Umlaufsrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von 10 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WX4260) vorzunehmen sind.
Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen – dazu der BGH
Die Entscheidung
Der XI. Zivilsenat des BGH hat beide Revisionen zurückgewiesen. Und zwar hat er entschieden, dass die in den Prämiensparverträgen infolge der Unwirksamkeit der Zinsanpassungklauseln entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist.
Referenzzins nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen
Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen. Rechtsfehlerfrei hätten die Oberlandesgerichte jeweils angenommen, dass der danach zu bestimmende Referenzzins nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen ist, so der BGH. Und zwar wären Sparer bei Anwendung der sogenannten Gleitzinsmethode entgegen ihrer Erwartung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden. Dies deswegen, weil künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend ihrem Zeitanteil einfließen würden. Und zwar würden Sparer im Rahmen ihrer Anlageentscheidung bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den ihnen angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins vergleichen und nicht mit einem Zins, der aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zinsen berechnet wird, so der BGH.
Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen (Zeitreihe WX4260) als Referenzzins ungeeignet
Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen. Außerdem seien beide Oberlandesgerichte zutreffend davon ausgegangen, dass die Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen (Zeitreihe WX4260) als Referenzzins für die variable Verzinsung risikoloser Spareinlagen nicht in Betracht kommen. Diese von den Musterklägern als Referenzzins befürworteten Umlaufsrenditen würden trotz ihrer Besicherung durch Pfandbriefe nicht den „risikolosen“ Marktzins widerspiegeln. Vielmehr enthielten sie einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führen würde, so der BGH. Und zwar zeige der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließe keinerlei Risikobereitschaft, so dass der im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende Referenzzins ebenfalls keinen Risikoaufschlag enthalten dürfe.
Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen – Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe WU9554) genügen den Anforderungen
Und zwar würden die von den Oberlandesgerichten als Referenzzins herangezogenen Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe WU9554) den Anforderungen genügen, die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen seien, so der BGH. Sie würden von der Deutschen Bundesbank, einer unabhängigen Stelle, nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt sowie in deren Monatsberichten regelmäßig veröffentlicht und würden daher weder einseitig die Sparer noch die beklagten Sparkassen begünstigen. Die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen würden zudem die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt widerspiegeln und in Ermangelung eines Ausfallrisikos keinen Risikoaufschlag enthalten. Zudem würden die Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahre der herangezogenen Umlaufsrenditen der typisierten Spardauer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Jahren hinreichend nahekommen.
Beginn der Verjährung nicht an die Kenntnis der Unwirksamkeit der Sparverträge gebunden
Darüber hinaus hat der XI. Zivilsenat des BGH in dem Verfahren XI ZR 44/23 entschieden, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher nicht auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsklausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung beziehen muss, die höchstrichterlich festgelegt worden sind. Und zwar müsse der Inhaber eines Anspruchs keine rechtlich zutreffenden Schlüsse nachvollziehen, um den Lauf der Verjährung seines Anspruchs in Gang zu setzen, so der BGH.
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 76125 Karlsruhe
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Siehe auch:
Prämiensparverträge wirksam gekündigt?
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Widerrufsrecht bei Goldsparverträgen?
Kündigung eines Prämiensparvertrages möglich?
Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen wirksam?
AGB – Klausel über Verwahrentgelte wirksam?
BGH zur Zinsanpassung in Prämiensparverträgen
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Entscheidung des BGH zum Referenzzins in Prämiensparverträgen. Und zwar hat der BGH darüber am 09.07.2024, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23, entschieden. Fragen Sie den Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in unserer Kanzlei