AG Frankfurt, Urt. v. 01. Februar 2010 – 30 C 2353/09-75
1.) Bei den so genannten „Filesharing-Fällen“ handelt es sich regelmäßig um einfach gelagerte Fälle mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs. Im Falle einer erstmaligen Abmahnung sind die zu erstattenden Anwaltskosten daher gemäß § 97a Abs. 2 UrhG auf € 100,00 beschränkt.
2.) Neben dem Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten besteht in den so genannten „Filesharing-Fällen“ ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von € 150,00 unter Berücksichtigung der Grundsätze der Lizenzanalogie.
(Leitsätze des Bearbeiters)
Der Fall:
Die in Frankfurt ansässige Klägerin war Inhaberin der Verwertungsrechte an der Tonaufnahme „Jump That Rock (What You Want)“. Sie begehrte die Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechtsanwaltsgebühren sowie weitergehenden Schadensersatz nach einer behaupteten Urheberrechtsverletzung.
Die Klägerin erhielt von der mit der Überwachung des streitgegenständlichen Tonträgers beauftragten Firma die Information, dass am 02. Februar 2009 um 16:57:13 Uhr ein Nutzer mit der IP-Adresse 87.xxx.xxx.156 die streitgegenständliche Tonaufnahme anderen Teilnehmern einer Tauschbörse zum Download angeboten hat.
Die nach einer Gestattung seitens des Providers mitgeteilte Zuordnung ergab die Beklagte als Inhaberin der IP-Nummer zum Tatzeitpunkt.
Die Klägerin ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Mai 2009 abmahnen und unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern.
Die Beklagte gab fristgemäß eine Unterlassungserklärung ab und forderte die Klägerin zur Darlegung der Tonträgerrechte auf.
Mit Schreiben vom 01. September 2009 und auch der nachfolgend erhobenen Klage machte die Klägerin die Kosten der Anspruchverfolgung unter Zugrundelegung eines Gegenstandwertes von € 10.000,00 in Höhe von € 651,80 sowie eine Schadensersatzpauschale, die sie sich den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet hatte, in Höhe von € 150,00 geltend.
Die Entscheidung:
Das Amtsgericht Frankfurt hat der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten in Höhe von € 100,00 sowie weiteren Schadensersatz in Höhe von € 150,00 zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Seine örtliche Zuständigkeit hat das Gericht deswegen für gegeben erachtet, weil die ins Internet gestellte Tonaufnahme weltweit und damit auch in Frankfurt abgerufen werden konnte. Die Verletzungshandlung erfolgte hiernach (auch) in Frankfurt. Von einer rechtsmissbräuchlichen Gerichtsstandswahl durch die Klägerin könne nicht ausgegangen werden. Angesichts ihres Geschäftssitzes in Frankfurt bestehe ein hinreichender Bezug zum gewählten Ort.
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Anwaltskosten bestehe nur in Höhe von € 100,00, da insoweit § 97a Abs. 2 UrhG einschlägig sei. Darin ist normiert, dass für den Fall einer erstmaligen Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs die erstattungsfähigen Aufwendungen auf € 100,00 beschränkt sind.
Die vier genannten Voraussetzungen hat das Gericht als gegeben erachtet und dazu wörtlich ausgeführt:
„Die Beklagte habe bislang keine identischen oder in ihrem Kern im Wesentlichen gleich gelagerten Verletzungshandlungen im Verhältnis zum Kläger begangen.
Im Weiteren wirft auch die rechtliche Bewertung keine Schwierigkeiten (mehr) auf, da inzwischen hinsichtlich der Frage der Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten in vergleichbaren Fällen auf eine umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Auch der hinsichtlich der Frage des „einfach gelagerten Falles“ von der Klagepartei in Bezug genommene Rechercheaufwand ist mittlerweile durch den Auskunftsanspruch aus § 101 UrhG stark vereinfacht. Allein die Tatsache, dass der Gestattungsantrag über das Gericht zu stellen ist, macht den Vorgang nicht zu einem „rechtlich“ Schwierigen. Schließlich können die Abmahnenden regelmäßig auf vorformulierte Schreiben zurückgreifen, da die rechtliche Bewertung unabhängig von der Art des angebotenen Werkes ist. Es müssen lediglich der Abgemahnt, das konrekte Werk, die Höhe der Kosten und die Nachweise eingefügt werden, was keines großen Aufwands (mehr) bedarf (vgl. zur Subsumtion von „Massenabmahnungen“ unter der einfach gelagerten Fälle Ewert/von Hartz, Neue kostenrechtliche Voraussetzungen bei der Abmahnung im Urheberrecht, MMR 2009, 84 (87)); Prof. Dr. Thomas Hoeren, zur Frage der Begrenzung der Abmahngebühren nach § 97 a UrhG in CR 6/2009). Soweit im Einzelfall ein erhöhter Aufwand erforderlich sein mag, mag dies gegen eine Anwendbarkeit des § 97a sprechen. Vortrag hierzu ist jedoch nicht geführt.
Im Weiteren ist auch die Voraussetzung der „Unerheblichkeit“ der Rechtsverletzung zu bejahen.
Zwar hat die Tauschbörse in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucksache 16/8783,50) nicht explizit Eingang gefunden, soweit dort das öffentliche Zugänglichmachen eines Stadtplanausschnitts auf einer privaten Homepage, eines Liedtextes auf einer privaten Homepage bzw. die Verwendung eines Lichtbildes in einem privaten Angebot einer Internetversteigerung erwähnt worden sind. Die Aufzählung dort hat jedoch nur beispielhaften Charakter. Dass nicht sämtliche einschlägigen Sachverhalte in die Aufzählung Eingang finden konnten, zeigt der Verweis der Gesetzesbegründung auf den Einzelfall. Allen Beispielen der Aufzählung der Gesetzesbegründung ist nun mit dem hiesigen Sachverhalt gemein, dass es sich um eine einmalige Rechtsverletzung durch das Zugänglichmachen eines einzelnen Werkes handelt. Gemein ist den Sachverhalten auch, dass die abstrakte Gefährdung des Downloads durch andere und die Verbreitung durch diesen Personenkreis gleichermaßen besteht. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann zur Frage der Erheblichkeit der Rechtsverletzung auch nicht etwa auf die zu § 101 UrhG entwickelten Kriterien zum gewerblichen Ausmaß der Rechtsverletzung zurückgegriffen werden, wenngleich bei der Subsumtion beider sowohl der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch deren Schwere maßgeblich sein sollen. Das Übertragen der Grundsätze hätte nun aber zur Folge, dass in den Fällen, in denen die Auskunft über § 101 UrhG erteilt wird, grundsätzlich auch die Anwendbarkeit des § 97a Abs. 2 UrhG ausgeschlossen wäre, was nicht gewollt gewesen sein kann, wie nicht zuletzt daraus ersichtlich wird, dass der Gesetzgeber im § 97a UrhG mit der Erheblichkeit der Rechtsverletzung einen anderen Wortlaut gewählt hat, als mit dem gewerblichen Ausmaß in § 101 UrhG, zudem die Einzelfallbetrachtung geboten sein soll.
Dass das Zur-Verfügung-Stellen der Datei schließlich außerhalb des geschäftlichen Verkehrs geschehen ist, ergibt die Tatsache, dass die Art und Weise der Handlung nicht eine solche ist, wie man sie von einem gewerblich Handelnden erwarten würde (z.B. Vielzahl von Verbreitungshandlungen oder auch die Absicht, Einnahmen zu erzielen).“
Daneben stehe der Klägerin gemäß § 97a UrhG ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von € 150,00 unter Berücksichtigung der Grundsätze der Lizenzanalogie zu. Unerheblich sei dabei, ob der Verletzte tatsächlich Lizenzen vergibt, da es sich um eine fiktive Form der Schadensberechnung handele. Bei der Berechnung sei darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert hätte und der vernünftige Vertragspartner, der Lizenznehmer, zu bezahlen bereit gewesen wäre. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes sei der Betrag i.H.v. 150,00 € angemessen (§ 287 ZPO).
Konsequenzen für die Praxis:
Auffällig an der Entscheidung ist zunächst, dass sich das Gericht trotz einer anderslautenden Entscheidung einer anderen Abteilung desselben Gerichts (AG Frankfurt, Beschl. v. 21. August 2009 – 31 C 1141/09-16) für örtlich zuständig erachtet hat.
Soweit das Gericht eine Deckelung der Anwaltskosten vorgenommen hat, überzeugt die die detaillierte Begründung. Mit klaren Worten erfolgt – soweit ersichtlich – erstmals eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 97a Abs. 2 UrhG. Es ist zu hoffen, dass andere Gerichte dieser Argumentation folgen. Schließlich macht das Gericht auch deutlich, dass der Schadensersatzanspruch, der neben den Anwaltskosten verfolgt wird, von der Beschränkung des § 97a Abs. 2 UrhG nicht erfasst wird. Das Urteil stellt daher einen fairen Interessenausgleich her.
(LH)