Aufklärungspflicht im Verfahren auf Zugewinnausgleich? Dazu bat das OLG Hamm am 17.06.2016, Az. 3 UF 47/15, entschieden. In einem aus Anlass ihrer Scheidung durchgeführten Zugewinnausgleichsverfahren kann der tatsächlich allein erbbauberechtigte Ehegatte den anderen möglicherweise über die Tatsache seines Alleineigentums aufzuklären haben, so das OLG. Und zwar, wenn zunächst beide Ehegatten irrtümlich annehmen, dass ein von ihnen auf einem Erbbaugrundstück gemeinsam errichtetes Haus in ihrem hälftigen Miteigentum steht, und der allein erbbauberechtigte Ehegatte während des Verfahrens von diesem Irrtum erfährt.
Was ist passiert?
Aufklärungspflicht im Verfahren auf Zugewinnausgleich?
Vorgeschichte
Im Jahre 1999 schlossen die beteiligten Eheleute die Ehe. Sie lebten während der Ehe im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der heute 45 Jahre alte Ehemann war Inhaber eines Erbbaurechts an einem örtlichen Grundstück, auf dem die Ehegatten nach der Heirat gemeinsam ein Einfamilienhaus mit einem heutigen Gesamtwert von ca. 236.000 Euro errichteten. Die heute 41 Jahre alte Ehefrau trennte sich im Jahre 2012 vom Ehemann und zog mit den gemeinsamen drei Kindern aus dem Haus aus.
Zugewinnausgleich im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens
Die Ehefrau begehrte in dem in der Folgezeit nach Ablauf des Trennungsjahres durchgeführten Scheidungsverbundverfahren u.a. den Zugewinnausgleich(§ 1373 BGB). Die insoweit angestellten Berechnungen beider Ehegatten gingen zunächst übereinstimmend davon aus, dass beide hälftige Miteigentümer des errichteten Hauses seien. Auf dieser Grundlage verständigten sich die Eheleute im Wege eines im Jahre 2014 abgeschlossenen Teilvergleichs darauf, dass der Ehemann gegen Zahlung von 15.000 Euro sämtliche vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehefrau ausgleicht.
Die Ehefrau erfuhr nach dem Abschluss des Vergleiches, dass ihr Mann alleiniger Inhaber des Erbbaubrechts war. Dem Ehemann war dieser Umstand aus Anlass einer Überprüfung des Erbbaurechts einige Wochen vor dem Vergleichsabschluss bekannt geworden. Allerdings hatte er diese Information im Scheidungsverfahren nicht mitgeteilt. Hatte er in dem im Scheidungsverfahren durchgeführten Verfahren auf Zugewinnausgleich eine Aufklärungspflicht über diesen auf die Immobilie bezogenen Umstand?
Zugewinnausgleichsverfahren
Nachdem der Ehefrau die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse zur Betreffenden Immobilie bekannt geworden waren, hat sie den Teilvergleich angefochten und die Fortsetzung des Zugewinnausgleichsverfahrens verlangt. Dem ist das Amtsgericht Ahaus – Familiengericht – mit dem angefochtenen Beschluss nicht gefolgt, weil es den Teilvergleich als wirksam angesehen hat.
Aufklärungspflicht im Verfahren auf Zugewinnausgleich? Dazu das OLG Hamm:
Die Entscheidung
Die Beschwerde der Ehefrau war erfolgreich: Das OLG Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und festgestellt, dass das erstinstanzliche Verfahren auf Ausgleich des Zugewinns fortzuführen ist.
Wirksame Anfechtung
Die Ehefrau hat nach Auffassung des Oberlandesgerichts den Teilvergleich wirksam angefochten. Hatte der Ehemann also eine Aufklärungspflicht über die ihm zur betreffenden Immobilie bekannt gewordenen Umstände in dem im Scheidungsverfahren durchgeführten Verfahren auf Zugewinnausgleich?
Das OLG Hamm führte dazu aus, dass die Ehefrau beim Vergleichsschluss von ihrem Ehemann über ihr vermeintliches hälftiges Miteigentum an dem Haus – von dem die Eheleute zunächst über lange Zeit hinweg übereinstimmend ausgegangen waren – durch bewusst unterlassene Aufklärung arglistig getäuscht worden und deswegen zur Anfechtung berechtigt sei.
Grundlage der Anfechtung
Vorstehende Ausführungen des OLG deuten schon darauf hin, dass eine Aufklärungspflicht des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau in dem im Scheidungsverfahren durchgeführten Verfahren auf Zugewinnausgleich bestand. Das OLG führte dazu weiter aus, dass dem Ehemann noch vor dem Vergleichsschluss bekannt geworden sei, dass ihm aufgrund seines alleinigen Erbbaurechts an dem Grundstück auch das Eigentum an dem hierauf gemeinsam errichteten Haus allein ihm zustehe. Diese hätte er im vorliegenden Fall ungefragt offenbaren müssen, so das OLG. Die Ehefrau habe in der Annahme ihres hälftigen Miteigentums am Haus einen erheblich geringeren Zugewinnausgleichsanspruch errechnet.
Die Fehlvorstellung über die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an dem Haus sei für ihre Zustimmung zum Vergleich ausschlaggebend gewesen. Und zwar habe es sich dabei nicht etwa um eine den anderen Ehegatten nicht zur Aufklärung verpflichtende rein rechtlich falsche Beurteilung gehandelt. In dem Zugewinnausgleichsverfahren seien beide Eheleute über einen längeren Zeitraum und auch übereinstimmend von ihrem Miteigentum ausgegangen. Aus diesem Grund sei die Ehefrau nicht mehr gehalten gewesen, diese Tatsache vor dem Vergleichsabschluss zu überprüfen, so das OLG.
Offenbarungspflicht
Aufklärungspflicht beim Verfahren auf Zugewinnausgleich?
Demgegenüber sei der Ehemann nach Bekanntwerden der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse gehalten gewesen, diese im Verfahren ungefragt zu offenbaren. Insbesondere, weil er die Fehlvorstellung durch seinen Vortrag zunächst noch bekräftigt habe. Ihm sei bekannt gewesen, dass der vom hälftigen Miteigentum ausgehende Vergleichsbetrag seine Ehefrau wirtschaftlich erheblich benachteilige. Und außerdem, dass sie beim Aufdecken der Fehlvorstellung einen deutlich höheren Zugewinnausgleich fordern würde. Dementsprechend bestand ganz klar eine Aufklärungspflicht des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau in dem im Scheidungsverfahren durchgeführten Verfahren auf Zugewinnausgleich über die ihm vor Vergleichsabschluss bekannt gewordenen Umstände zur betreffenden Immobilie.
Der Beschluss ist rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 16.08.2016 und Juris das Rechtsportal
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