Nach der Entscheidung des BSG vom 19.12.2017, Az. B 1 KR 18/17 sind Entwöhnungszeiten sind nur dann den Beatmungszeiten bei stationärer Krankenhausbehandlung hinzuzurechnen, wenn eine Gewöhnung an die Beatmung eingetreten ist.
Was ist passiert?
Im Krankenhaus der Klägerin wurde ein Versicherter der Beklagten stationär behandelt wegen eines generalisierten epileptischen Anfalls und wurde im Verlauf des Krankenhausaufenthalts vom 27.01.2011, 23:10 Uhr, bis 01.02.2011, 15:00 Uhr, intensivmedizinisch versorgt und über ein Maskensystem intermittierend nicht invasiv beatmet. Die Atmung wurde pro Tag für mehr als sechs Stunden unterstützt. Der Patient wurde insgesamt 77 Stunden beatmet. Dabei wurde während der Spontanatmungsstunden wurde eine Sauerstoffinsufflation eingesetzt. Die Krankenhausbehandlung rechnete die Klägerin mit der Fallpauschale A13G ab. Die Beklagte hielt nur die Fallpauschale B76C für gerechtfertigt und verrechnete ihren Rückforderungsanspruch mit anderen – unstreitigen – Vergütungsforderungen.
Die Vorinstanzen, SG Ulm, Urteil vom 06.08.2015, Az. S 13 KR 3667/13 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2016, Az. L 11 KR 4054/15, hatten die Beklagte zur Zahlung verurteilt.
Was sagt das BSG dazu?
Das BSG hat der Revision stattgegeben und die Angelegenheit zur weiteren Sachaufklärung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Zwar sei die Krankenhausbehandlung grundsätzlich erforderlich gewesen. Allerdings sei nicht klar, welche Fallpauschale abzurechnen sei, was sich aus der Anwendung eines zertifizierten Programms unter Berücksichtigung der Diagnosen und Prozeduren ergebe. Diese Abrechnungsbestimmungen seien eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen, was auch für die Auslegung der Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) gelte.
Eine abrechnungsrelevante Information sei die Beatmungszeit, deren Kodierung sich allein aus der DKR 1001h ergebe, nicht aber aus der Diagnose oder dem OPS. Die DKR 1001h bestimmt u.a., dass maschinelle Beatmung ein Vorgang sei, bei dem Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die Atmung werde unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen Atemleistung des Patienten. Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten könne eine maschinelle Beatmung auch durch Maskensysteme erfolgen, wenn diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden. Die Berechnung der Beatmungsdauer beginne mit dem Einsetzen der maschinellen Beatmung und ende mit der Verlegung eines Patienten. Die Dauer der Entwöhnung werde insgesamt bei der Berechnung der Beatmungsdauer hinzugezählt, inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung. Dabei könne es mehrere Versuche geben, den Patienten vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Das Ende der Entwöhnung könne nur retrospektiv festgestellt werden, wenn eine stabile respiratorische Situation vorliege; dies sei dann der Fall, wenn der Patient über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atme. Zur Entwöhnung zähle auch die maschinelle Unterstützung der Atmung durch intermittierende Phasen assistierter nichtinvasiver Beatmung bzw. Atemunterstützung, z.B. auch Masken-CPAP/ASB oder Masken-CPAP. Sauerstoffinsufflation über Maskensysteme gehöre jedoch nicht dazu. Werde der Patient entwöhnt mit intermittierenden Phasen der maschinellen Unterstützung der Atmung durch Masken-CPAP im Wechsel mit Spontanatmung, sei diese Zeit nur dann anzurechnen, wenn die Spontanatmung des Patienten mindestens sechs Stunden pro Tag durch Masken-CPAP unterstützt wurde. Die Beatmungsdauer ende nach der letzten Masken-CPAP-Phase an dem Tag, an dem der Patient zuletzt insgesamt mindestens sechs Stunden durch Masken-CPAP unterstützt wurde.
Spontanatmungsstunden seien nach Wortlaut und Regelungssystem der DKR 1001h nur dann als Beatmungsstunden mitzuzählen, wenn der Wechsel von Beatmung und Spontanatmung in einer Phase der Entwöhnung erfolge. Schon begrifflich setze dies eine vorherige Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraus. Fehlerhaft habe das Landessozialgericht die Auffassung vertreten, die Entwöhnung beginne bereits mit dem Beginn der maschinellen Beatmung, und damit eine Entwöhnung fingiert, auch wenn diese nicht stattfinde. Die DKR 1001h fingiere jedoch keine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung, sondern setze vielmehr eine Methode der Entwöhnung voraus, nachdem eine Gewöhnung eingetreten sei. Es sei nur nicht erforderlich, die Methode der Entwöhnung gesondert zu kodieren. An die maschinelle Beatmung müsse sich der Patient aber gewöhnt haben und in seiner Fähigkeit, vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan zu atmen, eingeschränkt sein. Es sei nicht ausreichend, dass sich der Patient zwar noch nicht an eine maschinelle Beatmung gewöhnt habe, aber aus anderen Gründen nach Intervallen mit Spontanatmung wieder maschinelle Beatmung erhalte, um diese Zeiten zur Beatmungszeit zu addieren.
Wenn der Patient hingegen wegen der Gewöhnung zielgerichtet mit einer Methode der Entwöhnung behandelt werde, setze die DKR 1001h je nach Dauer der Beatmungszeit eine unterschiedliche Dauer der Spontanatmung voraus, um eine Entwöhnung anzunehmen. Eine Mindestdauer der Beatmung werde dabei nicht vorausgesetzt. Die DKR 1001h gehe als Regelfall davon aus, dass der Patient zunächst invasiv beatmet werde und es dann einen Wechsel zu einer nichtinvasiven Beatmungsart gebe, so dass klar zwischen Gewöhnungs- und Entwöhnungszeit unterschieden werden könne. Wenn der Patient von Anfang an nichtinvasiv beatmet worden sei fehle dieser Unterscheidungspunkt. Es richte sich dann nach den medizinischen Umständen des Einzelfalls, ob bereits eine derartige Gewöhnung eingetreten sei, dass eine Entwöhnung pulmologisch erforderlich sei. Bei einer intermittierenden Entwöhnungsbehandlung seien nur dann seien auch Stunden der Spontanatmung als Beatmungsstunden zu berücksichtigen.
Eine Sauerstoffinsufflation bzw. -inhalation über Maskensysteme sei nicht als Entwöhnungszeiten zu berücksichtigen, weil diese Varianten seien in der DKR 1001h ausdrücklich ausgeschlossen seien.
Nicht klar sei nach den Feststellungen des Landessozialgerichts, ob die Klägerin den Patienten wegen vorausgegangener Gewöhnung eigens entwöhnt habe, so dass mehr als 95 Beatmungsstunden zu kodieren gewesen wären. Wenn festgestellt werde, dass keine Gewöhnung erfolgt sei, seien weniger Beatmungsstunden anzusetzen und damit nicht die abgerechnete Fallpauschale A13G. Erfüllt seien die übrigen Voraussetzungen dieser Fallpauschale. Der Patient sei intermittierend beatmet worden. 77 Stunden habe die reine Beatmungszeit betragen. Wenn die Zwischenzeiten ebenfalls einzubeziehen seien, betrage die Beatmungszeit mehr als 95 Stunden.
Quellen: BSG, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. B 1 KR 18/17 und Juris das Rechtsportal am 27.09.2018
Siehe auch: https://raheinemann.de/drg-y01z-09-nur-abrechenbar-bei-geplantem-folgeeingriff/
RH