EuGH, Urt. v. 29. März 2011 – C-96/09 P
Eine in einem Mitgliedstaat geschützte geografische Angabe kann der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke nur dann entgegenstehen, wenn sie tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr in einem bedeutenden Teil dieses Mitgliedstaats benutzt wird.
Mit dieser Beggründung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuG) zur Eintragung des Zeichens „BUD“ als Gemeinschaftsmarke teilweise aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das EuG zurück verwiesen.
Die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke (GMV) sieht vor, dass ein im geschäftlichen Verkehr benutztes Kennzeichenrecht von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke entgegenstehen kann.
Zwischen 1996 und 2000 meldete die amerikanische Brauerei Anheuser-Busch beim Gemeinschaftsmarkenamt (HABM) das Bildzeichen und das Wortzeichen BUD als Gemeinschaftsmarke für bestimmte Arten von Waren, darunter auch „Biere“, an.
Die tschechische Brauerei Bud?jovický Budvar erhob gegen die Eintragung der Gemeinschaftsmarken wegen sämtlicher in den Anmeldungen benannten Waren Widersprüche. Das tschechische Unternehmen machte für seine Widersprüche die zum einen in Frankreich, Italien und Portugal gemäß dem Lissabonner Abkommen und zum anderen in Österreich gemäß zwischen Österreich und der früheren Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik geschlossenen bilateralen Verträgen geschützte Ursprungsbezeichnung „Bud“ geltend.
Das HABM wies die Widersprüche von Bud?jovický Budvar insgesamt u. a. mit der Begründung zurück, dass die von dem tschechischen Unternehmen vorgelegten Nachweise in Bezug auf die Benutzung der Ursprungsbezeichnung „Bud“ in Österreich, Frankreich, Italien und Portugal unzureichend seien.
Bud?jovický Budvar erhob Klage beim EuG, das mit Urt. v. 06. Dezember 2008 – Rs. T-225/06, T-255/06, T-257/06 und T-309/06 die Entscheidungen des HABM über die Zurückweisung der Widersprüche der tschechischen Brauerei aufgehoben hat. Das Gericht hat festgestellt, das HABM habe in Bezug auf den Schutz der älteren Rechte und die Benutzung der in Rede stehenden Bezeichnung Rechtsfehler begangen.
Anheuser-Busch hat gegen das Urteil des EuG vor dem EuGH ein Rechtsmittel eingelegt.
Mit seinem Urteil vom 29. März 2011 stellt der EuGH fest, dass das Urteil des EuG mit einem dreifachen Rechtsfehler behaftet ist.
Zunächst hat das EuG zu Unrecht festgestellt, dass es für den Nachweis, dass das Zeichen „Bud“ mehr als lediglich örtliche Bedeutung hat, genüge, dass das Zeichen in mehreren Staaten geschützt sei. Der EuGH führt hierzu aus, dass das fragliche Zeichen auch dann, wenn die geografische Ausdehnung seines Schutzes mehr als örtlich ist, der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke nur dann entgegenstehen kann, wenn es tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr in einem bedeutenden Teil des Gebiets benutzt wird, in dem es geschützt ist. Die Benutzung im geschäftlichen Verkehr ist dabei für jedes Gebiet, in dem das Zeichen geschützt ist, getrennt vorzunehmen.
Sodann stellt der EuGH fest, dass das Gericht auch einen Rechtsfehler begangen hat, indem es der Auffassung gewesen ist, dass die Verordnung nicht verlange, dass das Zeichen „Bud“ in dem Gebiet seines Schutzes benutzt werden müsse und dass die Benutzung in einem anderen Gebiet als dem, in dem es geschützt sei, auch bei völlig fehlender Benutzung in dem Schutzgebiet ausreichen könne, um die Eintragung einer jüngeren Marke zu verhindern. In diesem Zusammenhang weist der EuGH darauf hin, dass die ausschließlichen Rechte an einem Zeichen nur in dessen Schutzgebiet, insgesamt oder nur in einem Teil dieses Gebiets, mit einer Gemeinschaftsmarke in Konflikt treten können.
Schließlich hat das EuG nach Auffassung des EuGH auch einen Rechtsfehler mit der Feststellung begangen, dass es genüge, die Benutzung des fraglichen Zeichens im geschäftlichen Verkehr vor der Veröffentlichung der Markenanmeldung und nicht spätestens vor dem Tag der Anmeldung nachzuweisen. Im Hinblick insbesondere auf den langen Zeitraum, der zwischen der Anmeldung der Marke und deren Veröffentlichung vergehen kann, ist nämlich die Anwendung des Kriteriums des Anmeldetages besser geeignet, um zu gewährleisten, dass es sich bei der geltend gemachten Benutzung des fraglichen Zeichens um eine tatsächliche Benutzung handelt und nicht um eine Praktik, mit der nur der Zweck verfolgt wird, die Eintragung einer neuen Marke zu verhindern. Außerdem wird eine nur oder zum großen Teil in dem Zeitraum zwischen der Anmeldung und deren Veröffentlichung erfolgte Benutzung des fraglichen Zeichens im Allgemeinen nicht ausreichen, um darzutun, dass dieses Zeichen Gegenstand einer Benutzung im geschäftlichen Verkehr gewesen ist, die eine ausreichende Bedeutung des Zeichens belegt.
Der EuGH hat daher unter Zurückweisung der übrigen von Anheuser-Busch geltend gemachten Rechtsmittelgründe das Urteil des EuG teilweise aufgehoben, soweit es mit den drei festgestellten Rechtsfehlern behaftet ist. Da der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung durch den EuGH reif ist, hat er die Rechtssache zur erneuten Entscheidung an das EuG zurückverwiesen.
(Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 25/11)