Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen? Dazu hat das BSG am 18.12.2018, Az. B 1 KR 40/17, entschieden. Wenn eine Krankenkasse auf Erstattung gezahlter Vergütung für die Krankenhausbehandlung ihres Versicherten klage, dürfe das beklagte Krankenhaus in Einklang mit unionsrechtlichem Datenschutzrecht ohne Einwilligung des Versicherten dem Gericht dessen personenbezogene Daten in Behandlungsunterlagen zur zweckverändernden Verarbeitung (zum Nachweis der Vergütungsforderung) übermitteln. Und zwar dürfe das beklagte Krankenhaus dies, ohne die Einsichtnahme anderer Verfahrensbeteiligter ausschließen zu dürfen, so das BSG. Und zwar würden weder das SGB V noch sonstiges einfachgesetzliches Datenschutzrecht noch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten das Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen im Vergütungsrechtsstreit ausschliessen.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen? Zu dieser Frage hatte das BSG über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Klägerin ist die Krankenkasse, deren Versicherter im Krankenhaus des beklagten Krankenhausträgers behandelt wurde. Den bei der klagenden Krankenkasse Versicherten behandelte der Beklagte wegen eines zerebralen Hämatoms vollstationär vom 14.03. bis 02.04.2008, berechnete hierfür zunächst DRG A11B. In diesem Zusammenhang kodierte der Beklagte eine Beatmungszeit von über 249 und unter 500 Stunden.
Die Klägerin beglich zunächst die Rechnung des Beklagten (40.379,95 Euro). Außerdem beauftragte die Klägerin den MDK mit einer Begutachtung des Behandlungsfalls. Der MDK sah eine Beatmungszeit von mehr als 249 Stunden als nicht nachgewiesen an. Und zwar vertrat der MDK ide Auffassung, dass die nur die geringer vergütete DRG A13C hätte abgerechnet werden dürfen. Dagegen ging der Beklagte weiterhin von 281 Beatmungsstunden aus (173 Stunden Anästhesiestation: 14. bis 21.03.208: 107 Stunden neurochirurgische Station: 21. bis 26.03.2008). Als neue DRG berechnete der Beklagte die FP A11C (Beatmung >249 Stunden und <500 Stunden; 37.820,19 Euro) und zahlte der Klägerin 2559,13 Euro zurück.
Die Vorinstanzen
Die Klägerin dagegen forderte vergeblich weitere 10.373,37 Euro zurück und erhob Klage beim SG Stuttgart.
Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen? Dem Sozialgericht – und später auch dem Landessozialgericht – hatte der Beklagte die vollständigen Behandlungsunterlagen zur Verfügung gestellt, die Klägerin jedoch von der Einsichtnahme ausgeschlossen. Und zwar hatte das Sozialgericht die Behandlungsunterlagen dem Sachverständigen, nicht dagegen der Klägerin zur Verfügung gestellt. Unter Zugrundelegung des Gutachtens des Sachverständigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen (Urt. v. 23.02.2016 – S 9 KR 304/13 -).
Die von der Klägerin erneut geforderte Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen hatte auch das Landessozialgericht verweigert und deren Berufung gestützt auf das Gutachten zurückgewiesen. Auch im Gerichtsverfahren habe die Klägerin keinen Anspruch darauf, selbst die Behandlungsunterlagen einzusehen. Der Versicherte sei 281 Stunden beatmet worden (Urt. v. 22.11.2017 – L 5 KR 1284/16 -).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 120 SGG, § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm § 7 S 1 Nr 1, § 9 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und den weiteren Abrechnungsbestimmungen.
Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen? Dazu das BSG
Die Entscheidung
Auf die Revision der klagenden Krankenkasse hat das BSG die Sache zurückverwiesen.
Krankenhaus darf Gericht Behandlungsunterlagen übermitteln
Wenn eine Krankenkasse auf Erstattung gezahlter Vergütung für die Krankenhausbehandlung ihres Versicherten klage, dürfe das beklagte Krankenhaus in Einklang mit unionsrechtlichem Datenschutzrecht ohne Einwilligung des Versicherten dem Gericht dessen personenbezogene Daten in Behandlungsunterlagen zur zweckverändernden Verarbeitung (zum Nachweis der Vergütungsforderung) übermitteln. Und zwar dürfe das beklagte Krankenhaus dies, ohne die Einsichtnahme anderer Verfahrensbeteiligter ausschließen zu dürfen.
Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen? Einsichtsrecht der Krankenkassen im Vergütungsrechtsstreit
Und zwar gelte die Datenschutzgrundverordnung außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts grundsätzlich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls kraft bundesgesetzlich angeordneter entsprechender Anwendung. Allerdings würden weder das SGB V noch sonstiges einfachgesetzliches Datenschutzrecht noch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten das Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen im Vergütungsrechtsstreit ausschliessen.
LSG wird Feststellungen unter Beachtung des Vorbringens der Klägerin nach gewährter Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu treffen haben
Ob der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den beklagten Krankenhausträger besteht, könne nicht abschliessend entschieden werden. Das BSG dürfe seiner Entscheidung die anspruchserhebliche Feststellung des Landessozialgerichts, der Versicherte sei 281 Stunden beatmet worden, nicht zugrunde legen. Und zwar habe das Landessozialgericht sich hierfür auf Behandlungsunterlagen des Beklagten gestützt, ohne der Klägerin die gesetzlich gebotene Einsichtnahme zu gewähren.
Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen? Das LSG werde nunmehr die hiernach gebotenen Feststellungen unter Beachtung des Vorbringens der Klägerin nach gewährter Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu treffen haben. Nur ergänzend wies der erkennende Senat darauf hin, dass sich aus den Verfahrensakten nicht ergibt, dass der Beklagte die Voraussetzungen der von ihm abgerechneten abschlagsfreien Vergütung erfüllte (zu den Abschlägen bei Verlegung vgl § 3 FPV 2008). Insbesondere stehe nach dem Inhalt des im Berufungsverfahren vom Beklagten vorgelegten Arztbriefs seiner Universitätsklinik für Anästhesiologie nicht fest, dass die Behandlung des Versicherten vor der Aufnahme beim Beklagten am 14.3.2008 um 17.50 Uhr im verlegenden Klinikum S. nicht länger als 24 Stunden dauerte (§ 3 Abs 2 S 2 FPV 2008).
Quellen: Terminbericht des BSG Nr. 58/18 zu Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung und Juris das Rechtsportal
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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Einsichtsrecht von Krankenkassen in Behandlungsunterlagen? Dazu hat das BSG am 18.12.2018, Az. B 1 KR 40/17, entschieden. Fragen Sie Ihren Fachanwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei