Erbschaftssteuerfreibetrag bei Pflege der Eltern? Dazu hat am 10.06.2017 der BFH, II R 37/15, entschieden. Und zwar hat der BFH entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass der Erbe den Pflegefreibetrag auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn er dem Erblasser gegenüber gesetzlich zur Pflege oder zum Unterhalt verpflichtet war.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Nach Ansicht des BFH gelte dies selbst dann, wenn der Erblasser zwar pflegebedürftig, aber z.B. aufgrund eigenen Vermögens im Einzelfall nicht unterhaltsberechtigt gewesen sei.
Die Klägerin war im Streitfall Miterbin ihrer Mutter. Ca. zehn Jahre vor ihrem Tod war diese pflegebedürftig geworden (Pflegestufe III, monatliches Pflegegeld von bis zu 700 Euro). Die Klägerin hatte ihre Mutter auf eigene Kosten gepflegt. Den Freibetrag gewährte die Finanzverwaltung nicht, wenn der Erbe dem Erblasser gegenüber gesetzlich zur Pflege oder zum Unterhalt verpflichtet war (Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 R E 13.5 Abs. 1 Satz 2). Und zwar stehe die allgemeine Unterhaltspflicht zwischen Personen, die in gerader Linie miteinander verwandt sind, entgegen. Demzufolge hatte das Finanzamt den Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG i.H.v. 20.000 Euro nicht gewährt.
Erbschaftssteuerfreibetrag bei Pflege der Eltern? Dazu das FG Hannover
Mit Urt. v. 21.03.2015 – 3 K 35/15 – hatte das Finanzgericht Hannover der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben.
Erbschaftssteuerfreibetrag bei Pflege der Eltern? Dazu der BFH
Die Entscheidung
Die vorinstanzliche Entscheidung hat der BFH bestätigt.
Erbschaftssteuerfreibetrag bei Pflege der Eltern? Weite Auslegung des Begriffs „Pflege“
Der Begriff „Pflege“ ist nach Auffassung des BFH grundsätzlich weit auszulegen und erfasst die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person. Und zwar sei nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. zugeordnet gewesen sei.
Erbschaftssteuerfreibetrag bei Pflege der Eltern? Gesetzliche Unterhaltspflicht steht der Gewährung des Pflegefreibetrags nicht entgegen
Nicht entgegen stehe der Gewährung des Pflegefreibetrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG eine gesetzliche Unterhaltspflicht. Dies folge aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Historie der Vorschrift. Und zwar schließe der Wortlaut des § 13 Abs 1 Nr 9 ErbStG gesetzlich Unterhaltsverpflichtete nicht von der Anwendung der Vorschrift aus. Dazu hob der BFH hervor, dass eine generelle gesetzliche Verpflichtung zur persönlichen Pflege weder aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff., 1589 Satz 1 BGB noch aus der Verpflichtung zu Beistand und Rücksicht zwischen Kindern und Eltern nach § 1618a BGB folge.
Die Gewährung des Pflegefreibetrages entspreche damit auch für gesetzlich Unterhaltsverpflichtete dem Sinn und Zweck der Vorschrift, ein freiwilliges Opfer der pflegenden Person zu honorieren. Zudem werde der generellen Intention des Gesetzgebers Rechnung getragen, die steuerliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen zu verbessern. Und zwar liefe die Freibetragsregelung bei Ausschluss dieses Personenkreises nahezu leer, da Pflegeleistungen üblicherweise innerhalb der Familie, insbesondere zwischen Kindern und Eltern erbracht werden.
Erbschaftssteuerfreibetrag bei Pflege der Eltern? Und zwar bestimmt sich die Höhe des Freibetrages bestimmt nach den Umständen des Einzelfalls
Die Höhe des Freibetrages bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Und zwar könnten als Vergleichsgröße Vergütungssätze von entsprechenden Berufsträgern herangezogen werden. Dazu bemerkte der BFH, dass der Freibetrag bei Erbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflegeleistungen – wie im Streitfall –auch ohne Einzelnachweis zu gewähren wäre.
Quellen: Pressemitteilung des BFH Nr. 43/2017 v. 05.07.2017 und Juris das Rechtsportal
Erbschaftssteuerfreibetrag bei Pflege der Eltern?
Siehe auch: https://raheinemann.de/kompromiss-zur-erbschaftsteuer-vom-bundesrat-bestaetigt/ und https://raheinemann.de/drei-zeugen-testament-nur-bei-todesgefahr-des-erblassers-wirksam/ und https://raheinemann.de/schwiegermutter-als-aussergewoehnliche-belastung/ und https://raheinemann.de/vom-ehegatten-des-schuldners-genutzter-pkw-unpfaendbar/ und https://raheinemann.de/erblasser-mit-alzheimerdemenz-testierunfaehig/