Das OLG Hamm hat am 10.11.2016, Az. 26 U 14/16, entschieden, dass ein Augenarzt, der einem Patienten nach fehlerhafter Behandlung Schadensersatz schuldet, das vom Landschaftsverband an den Patienten gezahlte Blindengeld nicht erstatten muss.
Was ist passiert?
In den Jahren 2006 und 2007 ließ sich der im Jahre 1969 geborene Patient vom beklagten Augenarzt wegen Augenschmerzen und Dunkelsehen behandeln. Der Beklagte diagnostizierte eine Bindehautentzündung und ließ diese mit Augentropfen behandeln. Obwohl die Beschwerden fortbestanden, unterblieb eine weitere diagnostische Abklärung im Hinblick auf einen grünen Star. Der Patient suchte Ende 2007 eine andere Augenarztpraxis auf, in der ein fortgeschrittener grüner Star an beiden Augen diagnostiziert wurde. Trotz durchgeführter Operationen verlor der Patient seine Sehschärfe, erlitt eine Gesichtsfeldeinengung und ist heute so gut wie blind. Er bezieht vom klagenden Landschaftsverband seit dem 01.01.2009 Blindengeld. Die Schadensersatzansprüche des Patienten regulierte dessen ärztliche Haftpflichtversicherung aufgrund einer grob fehlerhaften Behandlung mit einer Abfindung in Höhe von 475.000 Euro. Der Kläger als Sozialhilfeträger ging von einem Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X aus und verlangt vom Beklagten die Erstattung des an den Patienten im Jahre 2009 gezahlten Blindengeldes i.H.v. ca. 30.000 Euro und die Feststellung, dass der Beklagte dem Kläger auch weitere Blindengeldzahlungen zu ersetzen hat.
Was sagt das OLG dazu?
Das OLG Hamm hat die Klage abgewiesen.
Der in § 116 Abs. 1 SGB X geregelte gesetzliche Forderungsübergang setzt nach Auffassung des Oberlandesgerichts eine sachliche Kongruenz zwischen der Ersatzpflicht des Schädigers und der Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers voraus, die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung dann vorliege, wenn die Leistung des Sozialhilfeträgers und der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz dem Ausgleich derselben Einbuße des Geschädigten dienten. Zwischen dem Blindengeld und dem Schadensersatzanspruch des Patienten, der auch den Ausgleich von durch die Erblindung entstandenen Mehraufwendungen umfasse, bestehe eine solche Kongruenz nicht. Unabhängig von Einkommens- und Vermögensverhältnissen und auch von einer Erforderlichkeit aus Seiten des Blinden werde das auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose gezahlte Blindengeld pauschal gezahlt. Es solle Nachteile der Behinderung mildern, die Teilhabe am Leben der Gesellschaft ermöglichen und ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben erleichtern sowie die Pflegbedürftigkeit vermeiden oder zumindest vermindern. Es werde abstrakt berechnet und nehme für sich gar nicht in Anspruch, jeglichen Mehraufwand abzudecken. Demgegenüber werde beim zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, auf den der gesetzliche Forderungsübergang anzuwenden sei, nach haftungsrechtlichen Gesichtspunkten allein auf den tatsächlich entstandenen blindheitsbedingt entstandenen Mehrbedarf abgestellt. Der Blinde würde im Falle eines Anspruchsübergangs zudem schlechter gestellt, weil er vom Schädiger nur die über das gezahlte Blindengeld hinausgehenden Mehraufwendungen ersetzt verlangen könne und Aufwendungen in dieser Höhe zunächst auch schlüssig darlegen müsse. Dass er auch nicht „doppelt“ entschädigt werde, regele das Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose dadurch, dass er sich gezahlte Entschädigungsleistungen wegen Mehraufwendungen auf das Blindengeld anrechnen lassen müsse.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Az. beim BGH VI ZR 454/16).
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 10.11.2016 und Juris das Rechtsportal
RH