Im Zuge des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes hat der Gesetzgeber mit Einführung von § 16 Abs. 3a S. 2 SGB V den Anwendungsbereich des Ruhenstatbestandes des § 16 Abs. 3a S. 1 SGB V auf alle nach dem SGB V Versicherten erweitert.
Damit ruht (auch) deren Leistungsanspruch, wenn sie mit einem Beitrag in Höhe von Beitragsanteilen für 2 Monate im Rückstand sind und nicht zahlen. Ausgenommen sind lediglich Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn Versicherte hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder SGB XII werden.
Bis zum 01. April 2007 galt dies nur für Versicherte nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz.
Für den Leistungserbringer im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ergibt sich das Problem, dass er in aller Regel nicht wird erkennen können, ob der Leistungsanspruch seines Patienten gegenüber der Krankenkasse nach § 16 Abs. 3a S. 2 SGB V ruht oder nicht.
Zwar lässt sich in diesem Zusammenhang noch recht schnell und sicher bewerten, welche Leistungen zur Behandlung akuter Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Doch ist durchaus umstritten, wann von einer „akuten Erkrankung“ gesprochen werden kann. Die Entscheidungen, die zu der vom Wortlaut vergleichbaren Vorschrift des § 4 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ergangen sind, zeigen die Bandbreite von Schwierigkeiten auf.
Aus Sicht des Leistungserbringers steht seit Einführung des § 16 Abs. 3a S. 2 SGB V damit nicht mehr in jedem Fall fest, welche Leistungen er im sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis zum Kostenträger und damit unabhängig vom zivilrechtlichen Behandlungsvertrag zu erbringen berechtigt und zugleich leistungsrechtlich verpflichtet ist.
Diese Problematik vertieft sich umso mehr als dass nach der Rechtsprechung des BSG, so zum Beispiel im Urt. v. 10. April 2008 – B 3 KR 20/07 R, ein Krankenhaus sogar vorleistungspflichtig ist.
Stellt sich nach der Erbringung der Leistungen heraus, dass ein Ruhenstatbestand nach § 16 Abs. 3a S. 2 SGB V greift, kommt eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse nicht in Betracht.
Dem Leistungserbringer bleibt dann nur der Weg, den Patienten direkt in Anspruch zu nehmen.
Dabei kann der Leistungserbringer einmal Vergütungsansprüche auf Basis des zivilrechtlich geschlossenen Behandlungsvertrages geltend zu machen.
Wie nämlich der BGH mit Urt. v. 10. April 2005 – III ZR 351/04 entschieden hat, bildet die gemeinsame Vorstellung von Leistungserbringer und Patient, dass eine die Kosten übernehmende Krankenversicherung besteht, in zivilrechtlicher Hinsicht die Geschäftsgrundlage des Behandlungsvertrages. Gehen die Beteiligten bei der Leistungserbringung irrtümlich vom Bestehen eines solchen Versicherungsschutzes aus, kann der Leistungserbringer nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage die Anpassung der Vertrages fordern. Dies führt, so der BGH, dazu, dass der Patient zur Entrichtung des Krankenhausentgelts verpflichtet ist.
Dieser Ansicht ist die Rechtsprechung der Instanzgerichte gefolgt. Hingewiesen werden soll insoweit lediglich auf das von uns erstrittene Urteil des AG Halle (Saale) vom 21. Februar 2008 – 93 C 2754/07.
Zum anderen kann der Leistungserbringer sein Entgelt ggf. unter Berufung auf eine unerlaubte Handlung fordern. Soweit der Patient von seiner Krankenkasse im Rahmen der Mahnung bereits über die Rechtsfolgen seiner weiteren Nichtzahlung informiert worden ist, wäre in der Entgegennahme der Behandlungsleistungen durch den Patienten eine Täuschung des Leistungserbringers über das Bestehen des Versicherungsschutzes zu sehen. Als Anspruchsgrundlage für den Leistungserbringer käme dann § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Betrugstatbestand des § 263 StGB in Betracht.
Das prozessuale Risiko, dass sich daraus ergibt, dass der Leistungserbringer für die Kenntnis des Patienten vom fehlenden Versicherungsschutz darlegungs- und beweisbelastet ist, könnte dabei ggf. dadurch aufgewogen werden, dass bei entsprechendem Klageantrag eine Absenkung der Pfändungsfreigrenzen erreicht werden kann. Nahezu ein Ausschluss des prozessualen Risikos ließe sich in jedem Falle sogar dadurch erreichen, dass der Vergütungsanspruch auf Basis des Wegfalls der Geschäftsgrundlage als Hilfsanspruch eingeklagt wird.
Zweifelhaft bleibt aber in beiden Varianten, ob ein Zahlungsanspruch gegenüber dem Patienten auch wirtschaftlich realisiert werden kann: werden Beiträge zur Krankenversicherung nicht entrichtet, dürften oftmals auch Mittel fehlen, um andere Forderungen zu bedienen. Dieses finanzielle Risiko hat der Gesetzgeber allein den Leistungserbringern aufgebürdet.
(LH)