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I. Problemstellung

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (BSGE 86, 166, 168).

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Dabei umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besteht im Hinblick auf die medizinische Versorgung nicht uneingeschränkt, sondern nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien.

Diese Maßgaben sind bei indikationsgerechtem Einsatz zugelassener Arzneimittel regelmäßig erfüllt. Nicht zugelassene Arzneimittel fallen dagegen nur in Ausnahmefällen und unter besonderen Voraussetzungen in die Leistungspflicht der GKV. Sofern kein solcher Ausnahmefall vorliegt, kommt auch eine Vergütung für die anlässlich der stationären Behandlung erbrachten nichtärztlichen Leistungen sowie Unterkunft und Verpflegung  mangels Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung nicht in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03 R).

II. Behandlung mit zugelassenen Arzneimitteln

Mit der erteilten Zulassung wird bescheinigt, dass das Arzneimittel verkehrsfähig ist und auf den Markt gebracht werden darf, also beispielsweise in Apotheken angeboten werden darf. Für die Ärzte ist die Zulassung gleichzeitig ein Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit, dass das Arzneimittel in der angegebenen Indikation wirksam ist und somit verordnet werden kann.

Die Arzneimittelzulassung ist eine behördlich erteilte Genehmigung, die erforderlich ist, um ein industriell hergestelltes, verwendungsfertiges Arzneimittel anzubieten, vertreiben oder abgeben zu können. Der Zweck eines solchen Zulassungsverfahrens ist die Risikovorsorge und Abwehr von Gefährdungen der Gesundheit, die durch unsichere oder wirkungslose Arzneimittel entstehen könnten. Eine Arzneimittelzulassung wird immer nur für ein bestimmtes Anwendungsgebiet, eine bestimmte Indikation, erteilt.

Bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines zugelassenen Arzneimittels im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung dürfte der Vergütungsanspruch des Krankenhauses regelmäßig gegeben sein.

Dies dürfte auch bei einem Arzneimittel, das sich in der Phase IV einer klinischen Prüfung befindet, gelten.

Die klinische Prüfung eines neuen Arzneimittels wird allgemein in 4 Phasen untergliedert:

Phase I: Nach Abschluss des tierexperiementellen Teils der Arzneimittelentwicklung, wird die Verträglichkeit an einer kleineren Zahl regelmäßig gesunder Probanten geprüft.
Phase II: Kontrollierte Erstanwendung an einer begrenzten Zahl von Patienten der Zielindikation. In diesem Zusammenhang wird die pharmalogische Wirkung in einer kontrollierten Studie von bis zu 200 Patienten geprüft.
Phase III: In einer erweiterten klinischen Untersuchung wird das Arzneimittel an einer großen Zahl von Patienten geprüft und dessen Wirksamkeit auf Verträglichkeit soweit abgeklärt, dass ein Antrag auf Zulassung des Arzneimittels begründet erscheint.  Phase IV: Bereits zugelassene Arzneimittel kommen zum bestimmungsgemäßen Einsatz mit dem zusätzlichen Ziel, seltene Nebenwirkungen zu erfassen und zu bewerten, auch um das Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil zu schärfen (vgl. BSG, Urt. v. 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03).

III. Finanzierungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse gem. §§ 40, 41 AMG

Die klinische Prüfung gemäß §§ 40, 41 AMG wird definiert als die Anwendung eines Arzneimittels zu dem Zweck, über den einzelnen Anwendungsfall hinaus Erkenntnisse über den therapeutischen oder diagnostischen Wert des Arzneimittels, insbesondere über eine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu gewinnen, unabhängig davon, ob die Prüfung in einer Klinik oder in der Praxis eines niedergelassenen Arztes durchgeführt wird.

Die unterschiedlichen Zielrichtungen von Arzneimittelrecht und dem Recht der GKV lassen jedenfalls von der Zulässigkeit eines Arzneimittelversuchs nicht auf etwaige Finanzierungspflichten durch die gesetzlichen Krankenkassen schließen (vgl. BSG, Urt. v. 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03). Zweck des Arzneimittelgesetzes ist in erster Linie nämlich, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen, wohingegen die GKV in erste Linie die Aufgabe hat, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wieder herzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

IV. Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen eines Modellvorhabens gem. § 63 SGV V

Eine Arzneimittelstudie kann gemäß § 63 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht Gegenstand eines Modellvorhabens sein. Dementsprechend ist sie in der Regel auch nicht als klinische Studie von der GKV zu finanzieren.

V. OFF-LABEL-USE

Wie oben bereits gesehen, sind Arzneimittel mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt.

Eine zulassungsüberschreitende Anwendung des betreffenden Arzneimittels käme jedoch in Betracht, wenn ein sogenannter OFF-LABEL-USE vorliegt. Ein OFF-LABEL-USE kommt danach nur in Betracht, wenn es

1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht,

2. wenn keine andere Therapie verfügbar ist und

3. wenn auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.

Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nach der Rechtssprechung des BSG zum OFF-LABEL-USE nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das konkrete Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann.

Dies kann angenommen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Kenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet, wissenschaftlich fundierte Aussagen zulassen und auf Grund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über eine voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.

Ergibt die Überprüfung einer durchgeführten Studie – auch der Phase III – keinen hinreichenden Beleg für einen zu erwartenden Behandlungserfolg, ist regelmäßig die dritte Voraussetzung für einen OFF-LABEL-USE zu Lasten der GKV nicht erfüllt (vgl. BSG, Urt v. 26. September 2006 – B 1 KR 14/06 R).

Eine differenzierte Betrachtungsweise gebietet sich als Ausnahmefall zu vorstehend genannten Grundsätzen nur dann, wenn es sich um einen sogenannten Seltenheitsfall einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt, die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch behandelt werden kann und bei der somit für den Wirksamkeitsnachweis positive Forschungsergebnisse bzw. einen bestimmten Standard entsprechende wissenschaftliche Veröffentlichungen nicht verlangt werden können, handelt.

VI. Finanzierungspflicht der GKV nach den Grundsätzen der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung leistungsbeschränkender Vorschriften des SGB V

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 06. Dezember 2005, Az. 1 BvR 347/98, ist es mit dem Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die verfassungsrechtliche Konkretisierung der Leistungsansprüche von Versicherten der GKV bei lebensbedrohenden, tödlich verlaufenden Erkrankungen gilt nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht auch für die Versorgung mit Arzneimitteln (vgl. BSG E 96, 170).

Insoweit sind an das Krankheitskriterium strengere Voraussetzungen gestellt, als sie mit dem Erfordernis „schwerwiegenden Erkrankung“ für die Eröffnung des OFF-LABEL-USE formuliert sind. Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägig gesetzlichen Regelung nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne von einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist.
(RH)