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Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Dazu hat am 12.12.2018 das LSG Celle-Bremen, L 13 AS 111/17, entschieden. Und zwar dürfe jemand Grundsicherungsleistungen des Jobcenters nicht behalten, wenn er seine Hilfebedürftigkeit in missbilligenswerter Weise zulasten der Solidargemeinschaft selbst herbeigeführt hat.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Zu dieser Frage hatte das LSG Celle-Bremen über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Kläger war ein 51-jähriger Hartz-IV-Empfänger aus Emden, der nach dem Tod seines Onkels im Jahre 2011 zunächst von dessen Erbe lebte. Das Jobcenter nahm eine Rückforderung vor, als der Mann ab 2013 erneut Grundsicherungsleistungen bezog. Der Kläger sei nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II zum Ersatz der gezahlten Leistungen verpflichtet. Er habe durch verschwenderisches Verhalten und damit sozialwidrig seine Hilfebedürftigkeit ab Mai 2013 herbeigeführt und dabei auch zumindest grob fahrlässig gehandelt. Das geerbte Vermögen habe er in kurzer Zeit verschwendet und hierdurch seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Der Kläger rechtfertigte sich demgegenüber mit einer vermeintlichen Alkoholerkrankung. Den überwiegenden Teil des Tages habe er in Gaststätten verbracht.

Was sagt das SG Aurich dazu?

Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Das SG Aurich hat mit Urteil vom 14.12.2016, S 15 AS 615/14, den Feststellungsbescheid des Beklagten vom 27. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2014 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II sei durch Leistungsbescheid geltend zu machen, diese Vorschrift biete demgegenüber keine Rechtsgrundlage für den Erlass eines Bescheides, mit dem die Ersatzpflicht nur dem Grunde nach festgestellt werde. Mit einem derartigen Bescheid werde dem Betroffenen die mögliche Reichweite der Ersatzpflicht, welche bei einer Rückforderung von Leistungen für längere Zeiträume existenzgefährdende Folgen haben könne, nur unzureichend vor Augen geführt, zudem bestehe auch keine Notwendigkeit für den Erlass derartiger „Grundlagenbescheide“.

Auch gegen vier weitere Leistungsbescheide gerichtete Klagen hat das SG stattgegeben (Urteile vom 14. Dezember 2016). Es hat diese Bescheide für formell rechtswidrig gehalten, weil die erforderlichen Anhörungen nicht durchgeführt worden seien. Die vor Erlass des Feststellungsbescheides vom 27. März 2014 erfolgte Anhörung reiche insoweit nicht aus, weil seinerzeit der Ersatzanspruch der Höhe nach nicht beziffert worden sei.

Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Dazu das LSG Celle-Bremen

Die Entscheidung

Das LSG Celle-Bremen bestätigte zwar die formelle Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids. Im Übrigen jedoch bestätigte das LSG die Rechtsauffassung des Jobcenters und meinte, dass die vier Leistungsbescheide nicht zu beanstanden seien.

Keine formelle Rechtswidrigkeit

Zunächst sei der Verfahrensfehler der unterbliebenen Anhörung bereits durch die Möglichkeit der Äußerung im Widerspruchsverfahren zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geheilt. Im Übrigen seien die Anhörungen im Berufungsverfahrens nachgeholt worden.

Ausgabeverhalten des Klägers grob fahrlässig und in hohem Maße zu missbilligen

Nach Auffassung des Landessozialgerichts sei das Ausgabeverhalten des Klägers grob fahrlässig und in hohem Maße zu missbilligen und laufe dem Grundsatz der Eigenverantwortung zuwider.

Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Im Einzelnen:

Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Verhalten in hohem Maße zu missbilligen

Das Ausgabeverhalten des Klägers sei in seiner Handlungstendenz auf die Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit gerichtet gewesen und nach den Wertungen des SGB II, welches etwa unwirtschaftliches Verhalten als Pflichtverletzung normiere (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 SGB II), in hohem Maße zu missbilligen. Insbesondere in den Sanktionsbestimmungen des § 31 SGB II komme zum Ausdruck, welches Verhalten als dem Grundsatz der Eigenverantwortung vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zuwiderlaufend angesehen werde (so BSG, Urteil vom 2. November 2012 – B 4 AS 39/12 R – juris Rn. 19). Ein wichtiger Grund (§ 34 Abs. 1 S. 1 SGB II) für das Verhalten des Klägers sei nicht ersichtlich. Das Verhalten des Klägers sei in hohem Maße zu missbilligen und laufe dem Grundsatz der Eigenverantwortung zuwider:

  • Der Kläger habe geerbtes Immobilienvermögen von 120.000 Euro sowie Geld- und Wertpapiervermögen von 80.000 Euro innerhalb von zwei Jahren verschwendet und sei nun völlig mittellos.
  • Seine Bank habe das überzogene Girokonto gekündigt, ihm drohe eine Stromsperre und er sei auf Lebensmittelgutscheine angewiesen.
  • Freimütig habe er eingeräumt, das Erbe „ausgegeben und vertrunken“ zu haben. Allein 60.000 Euro habe er verschenkt um zu gefallen.

Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Grob fahrlässiges Handeln

Der Kläger habe auch grob fahrlässig gehandelt, d. h. dasjenige missachtet, was jedem hätte einleuchten müssen. Es hätte ihm ohne weiteres einleuchten müssen, dass er bei dem von ihm an den Tag gelegten Ausgabeverhalten innerhalb kurzer Zeit wieder auf staatliche Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums angewiesen sein würde. Ein statistisch durchschnittlicher, nichterwerbstätiger Mann hätte bei ganz normalen Ausgaben sieben Jahre und sieben Monate von dem Vermögen leben können. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Kläger nach seiner persönlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, sein unwirtschaftliches Verhalten abzustellen.

Kein Kontrollverlust durch Alkoholerkrankung

Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Die behauptete Alkoholerkrankung habe nach Überzeugung des Landessozialgerichts und der beteiligten Ärzte keineswegs zum Kontrollverlust geführt, da der Kläger auch sehr vernünftige Entscheidungen getroffen habe wie Schuldentilgung und den Kauf einer Eigentumswohnung.

Quellen: Pressemitteilung des LSG Celle-Bremen v. 14.01.2019 und Juris das Rechtsportal

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Siehe auch:

Kann Erblasser das Erbe mit Erüllung einer Besuchspflicht verknüpfen?

Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Sozialleistungen bei Verprassen der Erbschaft zu erstatten? Dazu hat am 12.12.2018 das LSG Celle-Bremen, L 13 AS 111/17, entschieden. Fragen Sie den Anwalt für Erbrecht in unserer Kanzlei