Widerruf von Fernabsatzvertrag ohne Rücksicht auf Beweggründe? Dazu hat der BGH am 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15, entschieden. Und zwar sei es dem freien Willen des Verbrauchers überlassen, ob und aus welchen Gründen er von einem bei einem Fernabsatzgeschäft bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch macht. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs oder unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) komme nur ausnahmsweise – unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers – etwa bei arglistigem oder schikanösem Verhalten des Verbrauchers in Betracht, so der BGH.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Widerruf von Fernabsatzvertrag ohne Rücksicht auf Beweggründe? Zu dieser Frage hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Und zwar hatte der Kläger bei der Beklagten über das Internet zwei Matratzen bestellt, die im Januar 2014 ausgeliefert und vom Kläger zunächst auch bezahlt worden waren. Unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbieters und eine „Tiefpreisgarantie“ des Verkäufers bat der Kläger um Erstattung des Differenzbetrags von 32,98 Euro, damit er von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehe. Zu einer entsprechenden Einigung kam es nicht. Der Kläger widerrief den Kaufvertrag daraufhin fristgerecht und sandte die Matratzen zurück.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe und der Widerruf deshalb unwirksam sei. Denn das Widerrufsrecht beim Fernabsatzgeschäft bestehe, damit der Verbraucher die Ware prüfen könne. Aus diesem Grund habe der Kläger aber nicht widerrufen, sondern vielmehr um (unberechtigt) Forderungen aus der „Tiefpreisgarantie“ durchzusetzen.
Die Vorinstanzen
Widerruf von Fernabsatzvertrag ohne Rücksicht auf Beweggründe? Die auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage hatte in allen Instanzen, AG Rottweil, Urt. v. 30.10.2014, Az. 1 C 194/14 und LG Rottweil, Urt. v. 10.06.2015 , Az. 1 S 124/14, Erfolg.
Widerruf von Fernabsatzvertrag ohne Rücksicht auf Beweggründe? Dazu der BGH
Die Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Wirksamer Widerruf ohne Rücksicht auf die Gründe
Seiner Auffassung nach steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu, da er den Kaufvertrag wirksam widerrufen hat. Dem stehe nicht entgegen, dass es dem Kläger darum ging, einen günstigeren Preis für die Matratzen zu erzielen. Für die Wirksamkeit des Widerrufs eines im Internet geschlossenen Kaufvertrags genüge allein, dass der Widerruf fristgerecht erklärt wird. Die Vorschriften über den Widerruf sollten dem Verbraucher ein effektives und einfach zu handhabendes Recht zur Lösung vom Vertrag geben. Einer Begründung des Widerrufs bedürfe es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht. Deshalb sei es grundsätzlich ohne Belang, aus welchen Gründen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch mache.
Widerruf von Fernabsatzvertrag ohne Rücksicht auf Beweggründe? Aufgrund der Ausübung des Widerrufs sei der Kläger nicht mehr an seine auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Damit habet er Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB).
Einschränkungen nur in Ausnahmefällen
Der Einwand der Revision, der Ausübung des Widerrufsrechts im vorliegenden Fall seien mit Rücksicht auf dessen (eingeschränkten) Schutzzweck nach § 242 BGB Schranken gesetzt, geht schon im Ansatz fehl. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung beschränkt sich der Zweck des bei Fernabsatzgeschäften vorgesehenen Widerrufsrechts nicht darauf, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Ware zu prüfen und bei Nichtgefallen zurückzugeben.
Widerruf von Fernabsatzvertrag ohne Rücksicht auf Beweggründe? Gesetz sieht kein berechtigtes Interesse vor
Denn das Gesetz knüpft die Ausübung des Widerrufsrechts – wie schon das Fehlen einer Begründungspflicht (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) zeigt – nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers (etwa an das Nichtgefallen der Ware nach Überprüfung), sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft. Nur dieses Verständnis wird dem oben genannten Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag, dem Verbraucher ein einfaches und effektives Recht zur Lösung von einem im Fernabsatzgeschäft geschlossenen Vertrag an die Hand zu geben, gerecht.
Dass ein Verbraucher – wie hier der Kläger – nach der Bestellung Preise vergleicht und mit dem Verkäufer darüber verhandelt, bei Zahlung einer Preisdifferenz vom Widerruf des Vertrages Abstand zu nehmen, sei lediglich eine Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation. Diese darf der Verbraucher zu seinen Gunsten nutzen, ohne sich dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auszusetzen.
Widerruf von Fernabsatzvertrag ohne Rücksicht auf Beweggründe? Arglist kann Ausnahmefall sein
Ein Ausschluss dieses von keinen weiteren Voraussetzungen abhängenden Widerrufsrechts wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Verbrauchers komme eben nur in Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Das könne beispielsweise der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handele, etwa indem er eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt oder schikanös handelt. Damit sei der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar.
Dass der Kläger Preise verglichen und der Beklagten angeboten habe, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stelle kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Das sei vielmehr Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation, die der Verbraucher zu seinem Vorteil nutzen dürfe
Quellen: Pressemitteilung des BGH Nr. 57/2016 v. 16.03.2016 und Juris das Rechtsportal
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