Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Der Bundesgerichtshof – BGH, 09.11.2011, XII ZR 136/09 – hat das Schweigerecht von Müttern eingeschränkt: Wenn Männern ein sogenanntes Kuckuckskind untergeschoben wurde, muss die Mutter den Namen des wahren Erzeugers preisgeben. Das BVerfG nahm dazu in einer späteren Entscheidung vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 472/14 – eine etwas restriktivere Haltung ein und verwies zur Lösung auf Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber kam aber scheinbar nicht über die Erstellung eines Gesetzentwurfs (BT-Drs. 18/10343 – PDF, 1,2 MB) hinaus.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Zu dieser Frage hatte der BGH am 09.11.2011 über den folgenden Sachverhalt entschieden:
Der Kläger war irrtümlich davon ausgegangen, dass er mit seiner Lebensgefährtin ein Kind gezeugt hatte. In dieser Annahme zahlte er an die von ihm inzwischen getrennt lebende Frau mehrere tausend Euro Unterhalt.
Als er sich irgendwann über die fehlende Ähnlichkeit mit seinem Sohn wunderte, bot ihm die Mutter einen Vaterschaftstest an. Es stellte sich heraus, dass der Kläger nicht der Vater des Kindes ist.
Daraufhin wollte er den Namen des Erzeugers wissen, um den bereits gezahlten Unterhalt erstattet zu bekommen. Die Mutter des Kindes verweigerte ihm diese Auskunft.
Die Vorinstanzen
Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Der Kläger bekam als Scheinvater in den Vorinstanzen Recht.
Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Dazu der BGH
Die Entscheidung
Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen
Geheimhaltungsinteresse der Mutter in bestimmten Konstellationen gegenüber dem finanziellen Regressinteresse des Scheinvaters (§ 1607 Abs 3 BGB) weniger schutzwürdig
Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Und zwar sei eine Verpflichtung der Mutter zur Auskunftserteilung gegenüber dem Scheinvater über die Person des Vaters nicht von vornherein verfassungsrechtlich ausgeschlossen.
Auskunftsrecht des Mannes gegen die Intimsphäre der Frau
Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Und zwar hatte der Bundesgerichtshof das Auskunftsrecht des Mannes gegen die Intimsphäre der Frau abzuwägen. Im vorliegenden Fall konnte sich die Beklagte nicht auf den Schutz ihrer Privatsphäre zurückziehen. Der Senat befand, dass sie mit ihrem früheren Verhalten nicht zur Offenheit beigetragen habe. Nach Ansicht des Senats schuldet sie dem Kläger deshalb „Auskunft über die Person, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat“. Die Mutter des Kindes müsse dem Mann helfen, seinen wirtschaftlichen Schaden vom Erzeuger erstattet zu bekommen.
Auskunftsrecht gegenüber Scheinvater, der Unterhalt gezahlt hat
Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Im vorliegenden Fall ja, so der BGH: Und zwar könne die Mutter sich dann nicht auf den Schutz ihrer Privat- oder Intimsphäre berufen, wenn sie einem anderen Mann ein Kind untergeschoben hat und dieser Unterhalt für das Kind gezahlt hat. Der Mann habe dann ein Auskunftsrecht bezüglich des Namens des wahren Erzeugers.
Zu beachten allerdings das BVerfG mit einer restriktiveren Sicht in einer späteren Entscheidung
Und zwar geht es dabei um den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 472/14 entschieden. Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Wer als Vater jahrelang für ein so genanntes Kuckuckskind aufgekommen ist, so das BVerfG, habe deshalb noch lange nicht das Recht, von seiner untreuen Partnerin die Identität des wahren Vaters zu erfahren. Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Unterhaltsregressanspruchs des sogenannten Scheinvaters geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Personen preiszugeben, stelle eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Dafür bedürfe es einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht. An dieser fehle es. Einen Beschluss des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts, durch den die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren zur Auskunftserteilung verpflichtet worden war, hat der Senat aufgehoben.
Der Gesetzgeber im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 472/14
Daraufhin hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen und dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt. Ist Scheinvater über Erzeuger zu informieren? Wer erfährt, dass er nicht der wirkliche Vater des Kindes ist, für das er sorgt, soll dem Gesetzesentwurf zufolge von der Mutter Auskunft über den biologischen Vater verlangen können. Andererseits soll eine Begrenzung des Zeitraums, für den er von diesem Regress für den geleisteten Kindesunterhalt verlangen kann, erfolgen. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 18/10343 – PDF, 1,2 MB) zur Reform des Scheinvaterregresses vor, der jetzt dem Bundestag zugeleitet wurde. Außerdem enthält das Gesetz eine Regelung, wonach ein Erwachsener, der als Kind den Familiennamen eines Stiefelternteils erhalten hat, die Rückbenennung auf den ursprünglichen Namen verlangen kann. Erleichterter Regress für Scheinväter beabsichtigt. Dazu hat die Bundesregierung am 23.11.2016 einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Und zwar zur Reform des Scheinvaterregresses.
Fraglich ist, was aus dem Gesetzesentwurf geworden ist…
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Dazu siehe auch:
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