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Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Dazu hat am 07.06.2019 – Az. L 24 KA 39/17 – das LSG Berlin-Potsdam entschieden, dass ein Hausarzt mit einem vollen Versorgungsauftrag nicht noch einen weiteren halben Versorgungsauftrag wahrnehmen könne. Das BSG hat diese Entscheidung am 07.06.2019 – Az. L 24 KA 39/17 – mit der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bestätigt. Allerdings merkte das BSG an, dass dies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus § 20 Abs 1 Ärzte-ZV , der die Frage der Vereinbarkeit mit anderen Tätigkeiten des Arztes zum Gegenstand habe, folge, sondern bereits aus dem Wesen der vertragsärztlichen Zulassung.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Mehr als ein voller Versorgungsauftrag für Facharzt? Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin. Er ist seit 1. März 2007 in D im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 2), der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, zur vertragsärztlichen Versorgung im hausärztlichen Bereich mit einem vollen Versorgungsauftrag zugelassen. Die Öffnungszeiten seiner Praxis sind von Montag bis Donnerstag von 07:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 14:00 bis 18:00 Uhr sowie am Freitag von 07:00 Uhr bis 12:00 Uhr.

Der Kläger beantragte im August 2013 die Zulassung mit einem halben Versorgungsauftrag als Facharzt für Innere Medizin (Hausarzt) an seinem Wohnort N, also im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1), der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Damit wollte er dann an seinem Wohnort Patienten mit dem halben Versorgungsauftrag am Freitagnachmittag und Samstag versorgen. Dabei war anzumerken, dass zwischen seiner Praxis und seinem Wohnort eine Entfernung von 240 Kilometer liegt. Der Zulassungsausschuss für Ärzte für das Land Brandenburg lehnte den Antrag des Klägers ab.

Das SG Potsdam

Das SG Potsdam entschied:

  • Der Beschluss des Beklagten wird aufgehoben.
  • Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger zur vertragsärztlichen Versorgung mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zuzulassen.

Berufungseinlegung

Gegen das am 20. April 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten ZUlassungsausschusses vom 16. Mai 2017. Zur Begründung führt der beklagte Zulassungsausschuss u.a. aus:

Keine Vereinbarkeit mit § 20 Ärzte-ZV

Ein hälftiger Versorgungsauftrag neben einem vollen Auftrag sei nicht mit § 20 Ärzte-ZV vereinbar. § 20 Ärzte-ZV regele nur die Prüfung einer Zulassung zu einem Versorgungsauftrag neben einer Beschäftigung, jedoch nicht neben einer bereits bestehenden vertragsärztlichen Tätigkeit (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 6 KA 5/15 R). In diesem Urteil habe das BSG aber die Ablehnungen zu einem hälftigen Versorgungsauftrag bei einem beamteten Professor einer medizinischen Hochschule bestätigt.

Kein hälftiger Versorgungsauftrag neben einem vollen Versorgungsauftrag

Mögliche Anspruchsgrundlage für eine Tätigkeit außerhalb des bisherigen Vertragsarztsitzes sei alleine § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV. Aus § 24 Ärzte-ZV folge aber, dass es neben einem vollen Versorgungsauftrag keinen hälftigen geben könne. Die rechtlich verbindlichen Regelungen in § 95 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und in § 19 a Ärzte-ZV sowie in §§ 1 a Nr. 29, 17 Abs. 1 a BMA-Ä verböten neben einem rechtlich vollen Versorgungsauftrag einen weiteren, auch wenn die Sprechstunden zeitlich gestaltbar seien.

Die Sicht des klagenden Arztes

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und begründet dies insbesondere wie folgt:

Es gäbe keine Vorschrift, die einen hälftigen Versorgungsauftrag neben einem vollen ausschlösse. Gegenteiliges ergebe sich, wie bereits dargelegt, aus der grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers, zwei Praxen trotz bestehenden vollen Vertragsarztsitzes zuzulassen. Zu Recht habe das SG das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2015 angeführt. Dort sei zwar ein Anspruch auf einen hälftigen Versorgungsauftrag neben einer Vollzeitstelle mit einer Verpflichtung zu einer Tätigkeit im Umfang von über 50 Wochenstunden verneint worden, nicht hingegen neben einer Teilzeitbeschäftigung.

Bei der Entscheidung des BSG vom 8. September 2016 (B 6 KA 32/15 R) habe es sich um einen Anspruch auf zwei volle Zulassungen für zwei Fachgebiete gehandelt.

§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V regele weder relative noch absolute Zeitgrenzen für Beschäftigungen, die neben einer ärztlichen Tätigkeit ausgeübt würden. § 19a Ärzte-ZV stelle zwar klar, dass eine Zulassung den Arzt verpflichte, die vertragsärztliche Tätigkeit vollzeitig auszuüben. Damit solle allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass ein Vertragsarzt zeitgleich eine weitere Tätigkeit ausüben könne, die den Vorgaben des § 20 Ärzte-ZV entspreche.

Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Dazu das LSG Berlin-Potsdam

Die Entscheidung

Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Mehr als ein voller Versorgungsauftrag für Facharzt?

Am 07.06.2019 – Az. L 24 KA 39/17 – hat das LSG Berlin-Potsdam das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben. Und außerdem hat es die Klage abgewiesen.

Hausarzt mit Anspruch auf mehrere Versorgungsaufträge? § 20 Ärzte-ZV

In Brandenburg scheitere eine hälftige Zulassung neben einem vollen Versorgungsauftrag in Sachsen bereits daran, dass es nicht möglich ist, sowohl den Patienten in D wie in N in einem Umfang zur Verfügung zu stehen und Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten, der dem Versorgungsauftrag entspricht (vgl. § 20 Ärzte-ZV).

Hausarzt kann den Partienten nicht mehr in dem Umfang entsprechend dem Versorgungsauftrag zur Verfügung stehen

Ein Hausarzt mit einem vollen Versorgungsauftrag, so das LSG, könne nicht noch einen weiteren halben Versorgungsauftrag wahrnehmen. Dann könne er nämlich seinen Patienten nämlich nicht in dem Umfang entsprechend dem Versorgungsauftrag zur Verfügung stehen. Insbesondere könne er nicht die gängigen Sprechstundenzeiten einhalten. Dabei würden Freitagnachmittag, Wochenende oder Morgen- und späte Abendstunden nicht ausreichen.

Versorgung in sprechstundenfreien Zeiten muss gewährleistet sein

Die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte seien nach § 2 Abs. 3 Hausarztvertrag darüber hinaus explizit verpflichtet, kontinuierlich eine Dienstbereitschaft für erkrankte eigene Patienten auch in den sprechstundenfreien Zeiten – ggf. in Kooperation mit anderen hausärztlich tätigen Praxen- zu gewährleisten. Sie müssten ferner eine regelmäßige Hausbesuchstätigkeit zur Behandlung bettlägeriger, gebrechlicher und pflegebedürftiger Patienten ausüben sowie eine Notfallversorgung sicherstellen, einschließlich der Einbindung in den organisierten ärztlichen Notfalldienst. Der allgemein organisierte Notfalldienst reiche danach zur Erfüllung dieser Pflicht nicht aus.

Auch hierzu sei der Kläger bereits aufgrund der Entfernung zwischen D und N nicht in der Lage. Bereits daran scheiterte eine Verpflichtung des Beklagten unter der aufschiebenden Wirkung eines Verzichtes auf einen hälftigen Versorgungsauftrag in D.

BSG fordert Sicherstellung und Qualität

Ganz allgemein habe das BSG für die Zulassung mit einem weiteren hälftigen Versorgungsauftrag neben einem bereits bestehenden halben Auftrag gefordert, sicherzustellen, dass die zweite Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung nicht beeinträchtigt. Jedenfalls dann, wenn ein (Zahn-)Arzt jeweils in Einzelpraxis tätig werden will, müsse er gewährleisten, dass er an beiden Vertragsarztsitzen – jeweils im Umfang hälftigen Versorgungsauftrags – für die Versorgung der Patienten zur Verfügung steht. Eine (zahn)ärztliche Praxis müsse in den Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein und dürfe nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten (BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 – B 6 KA 11/14 R –, SozR 4-2500 § 95 Nr. 29, Rdnr. 44).

Sprechstundenangebot an ein oder zwei Tagen in der Woche nicht ausreichend

Das BSG habe im Beschluss im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren gegen das den Kläger betreffende Urteil des Senats vom 07. September 2017 (L 24 KA 26/16; Begehren auf Genehmigung einer Zweigpraxis) bereits betont, dass bei einer auf Kontinuität der Arzt-Patienten-Beziehung angelegte Tätigkeit, wie sie die hausärztliche Tätigkeit in besonderem Maße darstellt, ein Sprechstundenangebot an lediglich einem oder zwei Tagen in der Woche kaum qualitativ hochwertig wahrgenommen werden kann (BSG, B. v. 16. Mai 2018 – B 6 KA 69/17 BRdnr.14).

Dienstbereitschaft muss auch in sprechstundenfreien Zeiten gewährleistet sein

Die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte seien nach § 2 Abs. 3 Hausarztvertrag darüber hinaus explizit verpflichtet, kontinuierlich eine Dienstbereitschaft für erkrankte eigene Patienten auch in den sprechstundenfreien Zeiten – ggf. in Kooperation mit anderen hausärztlich tätigen Praxen- zu gewährleisten. Sie müssen ferner eine regelmäßige Hausbesuchstätigkeit zur Behandlung bettlägeriger, gebrechlicher und pflegebedürftiger Patienten ausüben sowie eine Notfallversorgung sicherstellen, einschließlich der Einbindung in den organisierten ärztlichen Notfalldienst. Der allgemein organisierte Notfalldienst reicht danach zur Erfüllung dieser Pflicht nicht aus.

Zu große Entfernung

Auch hierzu sei der Kläger bereits aufgrund der Entfernung zwischen D und N nicht in der Lage. Bereits daran scheiterte eine Verpflichtung des Beklagten unter der aufschiebenden Wirkung eines Verzichtes auf einen hälftigen Versorgungsauftrag in D.

Erreichbarkeit muss gewährleistet sein

Ganz allgemein habe das BSG für die Zulassung mit einem weiteren hälftigen Versorgungsauftrag neben einem bereits bestehenden halben Auftrag gefordert, sicherzustellen, dass die zweite Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung nicht beeinträchtigt. Jedenfalls dann, wenn ein (Zahn-)Arzt jeweils in Einzelpraxis tätig werden will, muss er gewährleisten, dass er an beiden Vertragsarztsitzen – jeweils im Umfang hälftigen Versorgungsauftrags – für die Versorgung der Patienten zur Verfügung steht. Eine (zahn)ärztliche Praxis müsse in den Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein und darf nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten (BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 – B 6 KA 11/14 R –, SozR 4-2500 § 95 Nr. 29, Rdnr. 44).

Nicht mehr als ein voller Versorgungsauftrag

Das BSG habe auch bereits klargestellt, dass auch bei einer zugelassenen Tätigkeit in zwei Fachgebieten insgesamt stets nur ein voller Versorgungsauftrag bestehen darf. Ggfs. auch in Form zweier hälftiger Versorgungsaufträge. Dieser aus dem SGB V und der Ärzte-ZV abgeleitete Grundsatz liege dem Ordnungssystem des Vertragsarztrechts mit der Bedarfsplanung und der Honorarverteilung als wesentlichen Elementen zugrunde. Der Annahme, dass ein für mehrere Fachgebiete zugelassener Arzt über mehr als einen Versorgungsauftrag verfügt, würden die bereits umfassende Inpflichtnahme durch einen vollen Versorgungsauftrag entgegen stehen. Außerdem entgegenstehen würden auch Gesichtspunkte der Bedarfsplanung und der vertragsärztlichen Honorarverteilung. Die darin liegende Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit stehe mit Art 12 Abs. 1 Grundgesetz im Einklang. An diesem Grundsatz habe sich auch durch die Flexibilisierungsoptionen des VÄndG nichts geändert (BSG, Urteil vom 28. September 2016 – B 6 KA 32/15 R).

Anderes ergebe sich entgegen der Auffassung des Klägers und des SG auch nicht aus der Rechtsprechung des BSG zu Ansprüchen auf Zulassungen neben abhängigen Beschäftigungen:

Der Versorgungsauftrag enthalte außerdem über die Sprechstundenzeiten hinaus Bereitschafts- und Notdienste, Verwaltung und Abrechnungen.

Außerdem

  • müsse der Arzt eine Dienstbereitschaft für erkrankte eigene Patienten in den sprechstundenfreien Zeiten gewährleisten.
  • Hausbesuche machen.

Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Dazu das BSG

Das BSG wies die Beschwerde des klagenden Arztes gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss vom 12.02.2020, B 6 KA 25/19 B, zurück.

Dazu führte das BSG insbesondere aus:

Nicht mehr als ein voller Versporgungsauftrag

Einem Arzt könne nicht mehr als eine Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag zugeordnet werden (vgl ua BSG vom 28.9.2016 – B 6 KA 1/16 R = SozR 4-2500 § 95 Nr 30 RdNr 27). Dies folge allerdings nicht aus § 20 Abs 1 Ärzte-ZV, der die Frage der Vereinbarkeit mit anderen Tätigkeiten des Arztes zum Gegenstand hat, sondern bereits aus dem Wesen der vertragsärztlichen Zulassung.

Gesichtspunkte der Bedarfsplanung und der vertragsärztlichen Honorarverteilung

Der Annahme, dass ein Arzt über mehr als einen Versorgungsauftrag verfügen könnte, würden außer der bereits umfassenden Inpflichtnahme durch einen vollen Versorgungsauftrag insbesondere Gesichtspunkte der Bedarfsplanung und der vertragsärztlichen Honorarverteilung entgegen stehen (vgl BSG vom 3.12.2010 – B 6 KA 39/10 B = juris RdNr 4; zur Zulassung in zwei Fachgebieten siehe auch BSG vom 9.2.2011 – B 6 KA 44/10 B = juris RdNr 14). An diesem Grundsatz hat sich auch durch die seit den Änderungen durch das VÄndG bestehenden und mit dem TSVG erweiterten Möglichkeiten zur Reduzierung des Versorgungsauftrags nach § 19a Abs 2 Ärzte-ZV nichts geändert. Die darin liegende Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit steht mit Art 12 Abs 1 GG im Einklang (vgl ua BSG vom 28.9.2016 – B 6 KA 1/16 R aaO). (Rn.10)


Quellen: Pressemitteilung des DAV MedR 2/2020 v. 03.02.2020 und Juris das Rechtsportal

Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Und zwar fragen Sie den Anwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei

Dazu siehe auch:

Streikverbot für Vertragsärzte?

Arzt kann nicht gleichzeitig als Hausarzt und Facharzt tätig sein

Kann Teilzeit-Chefarzt zugleich Vertragsarzt sein?

Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Am 07.06.2019 – Az. L 24 KA 39/17 – hat das LSG Berlin-Potsdam dazu entschieden. Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Und zwar fragen Sie den Anwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei
Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Am 07.06.2019 – Az. L 24 KA 39/17 – hat das LSG Berlin-Potsdam dazu entschieden. Hausarzt mit Anspruch auf meherere Versorgungsaufträge? Und zwar fragen Sie den Anwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei