Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Dazu hat das LSG Nordrhein-Westfalen am 14.11.2011, L 16 KR 73/10, entschieden. Und zwar habe ein Arbeitnehmer Anspruch auf Krankengeld, wenn er am letzten Tag seines Arbeitsverhältnisses von einem Arzt krankgeschrieben wird. Dies gelte auch dann, wenn mit dem Arbeitsverhältnis auch die Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld endet. Entscheidend sei, dass die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt festgestellt worden ist, in dem Versicherungsschutz bestand.
Was ist passiert?
Der Fall
Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Zu dieser Frage hatte das LSG Nordrhein-Westfalen über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die Klägerin begehrt Zahlung von Krankgeld. Und zwar war sie als angestellte Arbeitnehmerin bis zum 30.09.2008 im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Am 30.09.2008 wurde die Arbeitnehmerin bis zum 10.10.208 durch ärztliches Attest arbeitsunfähig geschrieben. Am 01.10.2008 meldete sich die Arbeitnehmerin arbeitslos.
Die beklagte Krankenkasse lehnte die Gewährung von Krankengeld ab. Und zwar ende die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis, hier also am 30.09.2008, so die beklagte Krankenkasse. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe erst an dem Tag, der auf die ärztliche Feststellung folgt; im vorliegenden Fall der 01.10.2008. An diesem Tag habe für die Klägerin keine den Krankengeldanspruch umfassende Mitgliedschaft mehr bestanden.
Die Vorinstanzen
Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Der daraufhin eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg. Die dann vor dem SG Düsseldorf erhobene Klage hatte Erfolg.
Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Dazu hat das LSG Nordrhein-Westfalen
Die Entscheidung
Die Beklagte hat gegen das Urteil erfolglos Berufung eingelegt.
Voraussetzungen für Fortbestehen der Mitgliedschaft gegeben
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass es für § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Fortbestehen der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger) ausreichend ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt festgestellt worden ist, an dem noch die Versicherung mit Krankengeldanspruch bestanden hat und sich dann der Krankengeldanspruch nahtlos an das beendete Arbeitsverhältnis anschließt. Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse bestehe demnach fort.
Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Ausgestellte Folgebescheinigung am letzten Tag erhält auch den entstandenen Krankengeldanspruch
Außerdem sei es widersprüchlich, dass bei Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit am letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses kein Krankengeldanspruch entstehen soll, während eine am letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses ausgestellte Folgebescheinigung ohne weiteres den entstandenen Krankengeldanspruch erhalten soll.
Auslegung des Begriffs „fortbestehen“
Eine andere Auslegung erscheint mit § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nach Ansicht des Gerichts nicht vereinbar. Nach dem Wortlaut der Norm soll die Mitgliedschaft Versicherter „fortbestehen“. Sinn und Zweck ist es, Versicherten, die aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen keine neue Mitgliedschaft begründen, für einen begrenzten Zeitraum den uneingeschränkten Versicherungsschutz zu erhalten.
Nachfolgend das BSG
Die Entscheidung
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Die Beklagte hat Revision zum BSG eingelegt.
Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Die zulässige Revision, mit der sich die beklagte Krankenkasse gegen die Verurteilung zur Zahlung von Krg für die Zeit vom 1.10. bis 1.12.2008 wendet, sei nur zum Teil begründet, so das BSG. Sie sei unbegründet, soweit das LSG die Berufung gegen die Verurteilung zur Krg-Zahlung für die Zeit vom 1.10. bis 27.10.2008 durch das SG zurückgewiesen habe. Im Übrigen habe die Revision Erfolg. Das SG-Urteil ist zu ändern, soweit es die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin für die Zeit vom 28.10. bis 1.12.2008 Krg zu gewähren. Das LSG-Urteil sei zu ändern, soweit es die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat. Insoweit sei die Klage abzuweisen. Denn die Klägerin habe lediglich Anspruch auf Krg für die Zeit vom 1.10. bis 27.10.2008, nicht aber für die Folgezeit.
Kein Krankengeld ab 28.10.2008
Und zwar stehe der Klägerin kein Krg-Anspruch für die Zeit vom 28.10. bis 1.12.2008 zu, weil sie ab 28.10.2008 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen sei. Sie sei auch nicht so zu stellen, als hätte sie noch am letzten Tag des Krg-Bezugs eine ärztliche Feststellung über ihre AU herbeigeführt. Schließlich hätte sie keinen Anspruch auf Krg nach § 19 Abs 2 SGB V für die Zeit vom 28.10. bis 27.11.2008.
Auch kein Anspruch nach § 19 Abs 2 SGB V
Die Klägerin habe auch keinen Krg-Anspruch nach § 19 Abs 2 SGB V. Die Klägerin sei ab dem 28.10.2008 nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V krankenversichert gewesen. Gemäß § 44 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V hätten die nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Versicherten keinen Krg-Anspruch. Der Versicherungsschutz nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V gehe hier einem nachwirkenden Anspruch auf Leistungen gemäß § 19 Abs 2 SGB V vor.
Und zwar verdränge ein nachwirkender Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft (§ 19 Abs 2 SGB V) nur dann eine Auffangversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V), wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen sei, dass die betroffenen Versicherten spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende ihrer bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen werden (§ 5 Abs 8a S 4 SGB V). Wortlaut und Regelungssystem lassen diese Auslegung zu. Sie entspriche dem Normzweck und harmoniert mit den allgemeinen Grundsätzen der Feststellung von Versicherungsverhältnissen.
Der Ausnahmetatbestand
Und zwar verdränge ein nachwirkender Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft ausnahmsweise dann die Auffangversicherung, wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen ist, dass die betroffenen Versicherten spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende ihrer bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen werden (§ 5 Abs 8a S 4 Halbs 2 SGB V). Ohne diese Einschränkung liefe die Regelung nachwirkender Leistungsansprüche leer, weil sie vollständig durch die Auffangversicherung verdrängt würde. Und zwar sei Sinn der Einschränkung des Vorrangs der Auffangversicherung, nachwirkende Leistungsansprüche in Fällen absehbar kurzfristiger Überbrückungen zum Zuge kommen zu lassen. Denn der nachwirkende Leistungsanspruch sei auf die Dauer von längstens einem Monat begrenzt (vgl § 19 Abs 2 S 1 SGB V). Versicherte mit nachwirkenden Leistungsansprüchen sollten nicht nur ganz kurz in die Auffangversicherung aufgenommen werden.
Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Voraussetzungen für die Ausnahme nicht erfüllt
Die Klägerin hätte die dargelegten Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nicht erfüllt. Und zwar hätten am 27.10.2008 keine Umstände vorgelegen, die hätten erwarten lassen, dass die Klägerin spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende ihrer bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen würde. Insbesondere sei nach übereinstimmender Einschätzung der Beteiligten nicht damit zu rechnen gewesen, dass die Klägerin bis dahin wieder arbeitsfähig und als Bezieherin von SGB III-Leistungen nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V pflichtversichert sein würde.
Quelle: Juris das Rechtsportal zu B 1 KR 19/11 R | BSG 1. Senat | Urteil | Krankenversicherung – Krankengeld – Erhalt der Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter …
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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Krankengeld bei Krankschreibung am Tag des Ausscheidens? Dazu hat das LSG Nordrhein-Westfalen am 14.11.2011, L 16 KR 73/10, entschieden. Fragen Sie Ihren Fachanwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei