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Krankengeld erst wenn AU-Bescheinigung bei der Krankenkasse? Dazu hat das BSG am 30.11.2023, B 3 KR 23/22 R, entschieden. Und zwar ruhe der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld nicht, wenn durch den Vertragsarzt entgegen seiner seit 1.1.2021 gesetzlich begründeten Pflicht die unmittelbar elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkasse nicht erfolgt, so das BSG.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Krankengeldanspruch erst wenn AUB-Bescheinigung bei der Krankenkasse? Zu dieser Frage hatte das BSG über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Die Parteien streiten über die Zahlung von Krankengeld vom 12.5. bis 21.7.2021.

Und zwar war der 1957 geborene, bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versicherte Kläger seit 31.3.2021 arbeitsunfähig erkrankt. Bis 11.5.2021 erhielt er Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber. Erst am 28.7.2021 übersandte der Kläger Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, mit denen ua Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 11.5. bis 21.7.2021 lückenlos attestiert wurde.

Die Beklagte lehnte die Zahlung von Krankengeld vom 12.5. bis 21.7.2021 ab (Bescheid vom 29.7.2021; Widerspruchsbescheid vom 2.11.2021). Und zwar habe der Krankengeldanspruch in diesem Zeitraum geruht, weil ihr die unstreitigen Arbeitsunfähigkeiten nicht jeweils rechtzeitig gemeldet worden seien. Dies sei eine Obliegenheit des Versicherten. Auch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe daran nichts geändert, weil diese im streitigen Zeitraum noch nicht umgesetzt gewesen sei.

Die Vorinstanzen

Krankengeldanspruch erst wenn AUB-Bescheinigung bei der Krankenkasse? Und zwar hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 12.5. bis 21.7.2021 Krankengeld zu gewähren (Urteil vom 8.3.2022). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16.11.2022).

Krankengeld erst wenn AU-Bescheinigung bei der Krankenkasse? Dazu das BSG

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Und zwar hätten die Vorinstanzen zutreffend entschieden, dass der Anspruch des Klägers auf Krankengeld nicht ruhte und er Krankengeld vom 12.5. bis 21.7.2021 beanspruchen kann, so das BSG.

Krankengeldanspruch auch ohne Übermittlung der AU-Bescheinigung an die Krankenkasse

Und zwar könnten Krankenversicherte Krankengeld auch dann beanspruchen, wenn weder sie selbst die  Arbeitsunfähigkeit (AU) der Krankenkasse gemeldet noch die behandelnde Vertragsärztin bzw. der behandelnde Vertragsarzt die AU-Daten der Kasse elektronisch übermittelt hätte, so das BSG. Denn mit der gesetzlichen Einführung der unmittelbar elektronischen Übermittlung der AU-Daten an die Krankenkasse durch die Vertragsärztin bzw. den Vertragsarzt zum 01.01.2021 sei die Obliegenheit Versicherter zur Meldung einer vertragsärztlich festgestellten AU entfallen.

Krankengeld erst wenn AU-Bescheinigung bei der Krankenkasse? Keine Ermächtigung der Bundesmantelvertragspartner zur Vereinbarung einer abweichenden Regelung

Der Versicherten-Anspruch auf Krankengeld ruhe auch dann nicht, wenn durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt entgegen der seit dem 01.01.2021 gesetzlich begründeten Pflicht die unmittelbar elektronische Übermittlung der AU-Daten an die Krankenkasse nicht erfolgt. Und zwar seien die Bundesmantelvertragspartner zur Vereinbarung einer von dieser Übermittlungspflicht abweichenden Regelung nicht ermächtigt gewesen.

Diese Vereinbarung hätte zwar Rücksicht auf den tatsächlichen Stand der technischen Umsetzung der Telematikinfrastruktur genommen, hätte aber dem für die Übermittlungspflicht gesetzlich geregelten und unverändert gebliebenen Stichtag 1.1.2021 widersprochen. Für diese Abweichung vom Gesetz hätte sich die Vereinbarung nicht auf eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage stützen können.

Und zwar hätten § 295 Abs 3 Satz 1 Nr 3 und 5 SGB V lediglich dazu ermächtigt, „das Nähere“ über die Erfüllung der Pflichten der Vertragsärzte nach § 295 Abs 1 SGB V und die Einzelheiten der Datenübermittlung zu vereinbaren. Durch die Bundesmantelvertragspartner hätte mit der Vereinbarung nicht die gesetzliche Übermittlungspflicht ab 1.1.2021 selbst ausgesetzt werden können. Weiterhin hätte damit jedenfalls nicht eine gesetzlich seither nicht mehr vorgesehene Obliegenheit der Versicherten zur Meldung der vertragsärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit begründet werden können, deren Nichteinhaltung zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld zulasten der Versicherten führe.

Quelle: Juris das Rechtsportal, B 3 KR 23/22 R | BSG 3. Senat | Urteil | Krankenversicherung – Krankengeldanspruch – kein Ruhen bei fehlender elektronischer Übermittlung …

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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