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Die beratende Bank ist nach dem Urteil des OLG Köln vom 13.08.2014, Az.: 13 U 128/13, verpflichtet, den Anleger über den anfänglichen negativen Markwert von Swap-Verträgen aufzuklären. Eine Beschränkung dieser Pflicht auf reine Spekulationsgeschäfte bestehe nicht (Anschluss BGH, 22. März 2011, XI ZR 33/10; entgegen OLG Stuttgart, 27. Juni 2012, 9 U 140/11).
Was ist passiert?

Die Klägerin, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 16.000 Einwohnern, nimmt die Beklagte, die Rechtsnachfolgerin einer Landesbank, auf Zahlung und Feststellung im Zusammenhang mit dem Abschluss von drei Zinssatz-Swap-Verträgen in Anspruch.
Grundlage der Geschäftsbeziehungen der Parteien war ein im Jahr 2005 geschlossener „Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte“. Auf der Basis dieses Rahmenvertrages schlossen die Parteien unter anderem am 9. November 2006 einen „Kündbaren Zahler-Swap“ mit einem Bezugsbetrag in Höhe von 3.779.573,89 €. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines festen Zinses von 6,44% p.a. Die Beklagte übernahm die Zahlung eines Zinses in Höhe des 3-Monats-Euribors.
Weiter einigten sich die Parteien am 12. März 2008 auf einen „Digitalen Zinsumfeld-Swap“. Danach schuldete die Klägerin zunächst einen festen und sodann einen Zins von entweder 2,25% p.a. oder 6,95% p.a., wobei die Zahlungspflicht davon abhing, ob eine „Digitalbedingung“ erfüllt war. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3% p.a. aus dem Bezugsbetrag von 3 Mio. €. Zugleich mit dem Abschluss des Zinssatz-Swap-Geschäfts einigten sich die Parteien darauf, einen anderen Swap-Vertrag aufzulösen, und preisten die aus diesem Vertrag resultierende negative Vertragsposition der Klägerin in das neue Geschäft ein.
Am 16. November 2009 schlossen die Parteien einen „CHF-Plus-Swap“. Nach diesem Vertrag war die Beklagte zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3% p.a. verpflichtet. Die Klägerin schuldete einen variablen Zins, der ausgehend von einem EUR/CHF-Wechselkurs von 1,4350 an dessen weitere Entwicklung gekoppelt war. Unterschritt der Wechselkurs zu bestimmten Stichtagen diese Grenze, ergab sich ein Aufschlag auf den in jedem Fall zu zahlenden Zinssatz von 2,5% p.a. Zeitgleich lösten die Parteien einen weiteren Swap-Vertrag ab. Dabei berücksichtigten sie den Umstand, dass die Klägerin der Beklagten aus dem abgelösten Swap-Vertrag zur Leistung einer Ausgleichszahlung verpflichtet gewesen wäre, bei der Gestaltung der Vertragspositionen im Rahmen des „CHF-Plus-Swap“.
Bei allen drei streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen war der Marktwert bei Abschluss aus Sicht der Klägerin in Höhe von mindestens rund 2,9% des jeweiligen Bezugsbetrags negativ. Jedenfalls über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht.

Dem Antrag der Klägerin auf Zahlung und Feststellung hat das Landgericht Köln – Urteil vom 12. März 2013 – 21 O 472/11 – unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Beratungspflichtverletzung teilweise stattgegeben. Nach Ansicht des LG Köln seien im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden maßgebend. Diese habe die beratende Bank vor Abgabe ihrer Anlageempfehlung zu erfragen. Der Umfang der Erkundigungspflicht richte sich dabei auch nach der Art und insbesondere der Komplexität des empfohlenen Anlageproduktes. Bei hoch komplex strukturierten Finanzprodukten, wie im vorliegenden Fall, könne die Bank nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass ein Kunde bereit ist, hohe Risiken zu tragen. Bei den von der Bank selbst konstruierten Finanzprodukten bestehe gegenüber dem Kunden ein Informationsvorsprung der Bank, den sie im Rahmen der objektgerechten Beratung beseitigen müsse, um der „Angewiesenheit“ des Anlegers auf die Bank Rechnung zu tragen und ihn zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung zu befähigen. Eine beratungsvertragliche Verpflichtung zur Aufklärung über die von der Emittentin an die Bank gezahlte Provision könne gegeben sein, wenn die Bank bei einer Zinswette durch die Gestaltung der Zinsformel einen negativen Marktwert einpreist, der ihr die Erzielung eines Gewinns ermöglicht, mit dem der Kunde nicht rechnen muss, Auf die Entscheidung des BGH, Urteil vom 22. März 2011, XI ZR 33/10, wies das LG Köln dabei hin.

Was sagt das OLG Köln dazu?

Das OLG Köln die Berufung der beklagten Bank zurückgewiesen.

Der Beklagten sei ein Beratungsfehler insoweit vorzuwerfen, als sie die Klägerin nicht über den unstreitig jedenfalls in Höhe von 2,9% des Bezugsbetrages bei sämtlichen Swap-Verträgen bestehenden anfänglichen negativen Marktwert aufgeklärt habe. In diesem Zusammenhang könne zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird.

Ergänzend führte das OLG Köln noch u.a. folgendes aus:

Die Pflicht der Beklagten zur Aufklärung des Anlegers über einen anfänglichen negativen Marktwert bestehe unabhängig von der Komplexität des konkreten Produktes. Die Komplexität des empfohlenen Anlageproduktes und die daraus folgenden Risiken für den Anleger spielen lediglich bei der Beurteilung der Frage eine Rolle, ob die Bank die Risikobereitschaft des Anlegers hinreichend ermittelt bzw. sich vor der Anlageentscheidung Gewissheit verschafft hat, dass der Kunde die konkreten Risiken in jeder Hinsicht verstanden hat (BGH, Urt. v. 22.3.2011 – XI ZR 33/10, juris Rn. 23 ff.). Neben dieser Verpflichtung zur Ermittlung der Risikobereitschaft des Kunden stehe jedoch als eigenständige Verpflichtung die der Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert (BGH, Urt. v. 22.3.2011 – XI ZR 33/10, juris Rn. 31 ff.). Diese Pflicht resultiere aus dem schwerwiegenden Interessenkonflikt der beratenden Bank, die auf der einen Seite eine allein am Kundeninteresse ausgerichtete Empfehlung abzugeben habe und auf der anderen Seite als Partnerin der Zinswette eine Rolle einnehme, welche den Interessen des Kunden gerade entgegengesetzt sei. Werde dann die Anlage für den Kunden in einer Art und Weise strukturiert, dass der Markt seine Risiken negativer bewertet als die der Bank, was wiederum die Voraussetzung dafür sei, dass die Bank ihre Position in dieser Wette durch Hedge-Geschäfte an andere Marktteilnehmer weitergeben könne, dann bestehe die konkrete Gefahr, dass die Bank ihre Anlageempfehlung nicht allein im Kundeninteresse abgibt.

Es komme damit im vorliegenden Fall weder darauf an, ob sich die mit der Klägerin abgeschlossenen Verträge – soweit sie Gegenstand des Rechtsstreits sind – auf ein Anlageprodukt beziehen, welches eine mit einem CMS Spread Ladder Swap vergleichbare Komplexität aufweise, noch komme es darauf an, ob die Klägerin aufgrund eigener Sachkunde in der Lage war, die konkrete Wirkungsweise und die Risiken dieses Anlageproduktes zu verstehen. Entscheidend sei vielmehr, dass die von der Beklagten verkauften Produkte einen anfänglichen negativen Marktwert aufweisen, aufgrund dessen die Beklagte ihre Vertragsposition sofort durch ein Hedge-Geschäft weitergeben und dadurch ihre Kosten decken sowie Gewinn erzielen konnte, was im vorliegenden Fall auch geschehen sei.

Der Entscheidung des BGH vom 22.3.2011 (XI ZR 33/10) lasse sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entnehmen, dass eine Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert nur dann zu erfolgen habe, wenn die Verlustrisiken für den Anleger unbegrenzt sind. Vielmehr sei die Verpflichtung zur Aufklärung über den negativen Marktwert als unabhängige und eigenständige Pflicht aufzufassen, die für sich – und unabhängig von der Höhe des möglichen Verlustes – verletzt werden könne. Aus diesem Grunde hätte es der BGH in der vorgenannten Entscheidung auch offen lassen können, ob die Pflicht zur Aufklärung über das unbegrenzte Risiko verletzt worden sei, was ansonsten eine Zurückverweisung und Sachaufklärung durch das Berufungsgericht erfordert hätte.

Die Kenntnis des Gewinninteresses der Beklagten hätte der Klägerin keinen Aufschluss über die Bedeutung des negativen Marktwertes geben könne, die darin liege, dass die Bank – obwohl als Beraterin ausschließlich dem Kundeninteresse verpflichtet – gegenläufige Interessen verfolge und das Produkt bewusst so strukturiert habe, das der Markt die Chancen und die Position des Kunden schlechter bewerte als diejenigen der Bank und sie deshalb in der Lage sei, sich das Risiko sofort durch ein Gegengeschäft mit Gewinn abkaufen zu lassen. Der darin liegende besondere Interessenkonflikt, insbesondere der aus der bewussten Strukturierung folgende Marktbezug, bleibe dem Kunden – hier der Klägerin – ersichtlich auch bei Kenntnis vom allgemeinen Gewinninteresse verborgen. Insofern könne die Kenntnis eines solchen Gewinninteresses auch nicht indizieren, dass sich die Klägerin auf die streitgegenständlichen Geschäfte auch bei Offenlegung des Marktwertes und seiner Bedeutung eingelassen hätte.

Wie geht es weiter?

Mit der Revision verfolgt die Beklagte in der Sache ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Verhandlungstermin hat der BGH in Sachen XI ZR 425/14 auf den 22.03.2016, 10.00 Uhr, angesetzt.
Der BGH hatte in seinem Urteil vom 22.03.2011, Az. XI ZR 33/10, ausgeführt, dass die Bank nicht darüber aufklären müsse, dass sie mit den empfohlenen Produkten Gewinne erzielt. Nur bei besonders hinzutretenden Umständen bestehe ein Interessenkonflikt , auf den gesondert hingewiesen werden müsse. Der BGH sah diesen besonderen Interessenkonflikt in dem von ihm entschiedenen Fall in der bewusst zu Lasten des Kunden gestalteten Risikostruktur des CMS Spread Ladder Swap-Vertrages, um unmittelbar im Zusammenhang mit dem Abschluss des Anlagegeschäftes das Risiko verkaufen zu können, dass der Kunde aufgrund ihrer Beratungsleistung übernommen hatte. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH den Fall des OLG Köln genauso bewertet.

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs und Juris das Rechtsportal

RH