Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Dazu hat das BVerwG am 08.05.2019, Az. 10 C 1/19, entschieden. Und zwar seien Betriebskosten der Fahrt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG lediglich die durch den Beförderungsvorgang verursachten sogenannten beweglichen Kosten. Zum Gesamtentgelt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG würden auch solche mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile einer Beförderung zählen, die für die Erwerbstätigkeit des Beförderers aus dem durch das Angebot eines Fahrdienstes geförderten Vertragsabschluss folgen, so das BVerwG. Und zwar setze eine Freistellung nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV von der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungspflicht setze voraus, dass Patienten einer dort aufgeführten stationären Einrichtung von dieser zu einem dritten Beschäftigungs- oder Behandlungsort oder zurück befördert werden. Ein reiner Zubringerdienst zwischen ihrer Wohnung und der behandelnden Einrichtung sei danach nicht freigestellt, so das BVerwG.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Zu dieser Frage hatte das BVerwG über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die Klägerin war Betreiberin eines Gesundheitszentrums. Und zwar hatte sich die Klägerin im Zusammenhang mit einer Vereinbarung mit den Kostenträgern zur Durchführung ambulanter Nachsorgeleistungen verpflichtet, Fahrten der Patienten von deren Wohnung und zurück durch einen Fahrdienst oder im Wege der Kostenerstattung sicherzustellen. Die dafür anfallenden Kosten sind mit dem Vergütungssatz für die Rehabilitationsleistung abgegolten. Das beklagte Ministerium lehnte den Antrag der Klägerin ab, die Genehmigungsfreiheit des Fahrdienstes nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) festzustellen.
Die Vorinstanzen
Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Das Verwaltungsgericht Gera, Urt. v. 08.09.2009 – 3 K 1513/08.GE – hatte die Genehmigungspflicht im vorliegenden Fall verneint und der Klage stattgegeben; auf die Berufung des Ministeriums hatte dagegen das Oberverwaltungsgericht OVG Weimar, Urt. v. 24.11.2015 – 2 KO 131/13 – die Klage abgewiesen.
Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Dazu das BVerwG?
Die Entscheidung
Die Revision der Klägerin hat das BVerwG hat zurückgewiesen.
Entgeltlichkeit und Geschäftsmäßigkeit
Genehmigung für Personenbeförderung einer ambulanten Reha? Und zwar sei die von der Klägerin durchgeführte Beförderung von Patienten sowohl entgeltlich als auch geschäftsmäßig, so das BVerwG. Deshalb unterfalle sie dem Personenbeförderungsgesetz.
Entgeltlichkeit
Und zwar sei der Fahrdienst der Klägerin schon deshalb entgeltlich, weil ihr Aufwendungen durch die Kostenträger der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden, so das BVerwG. Nach der Vereinbarung der Klägerin mit den Kostenträgern seien nämlich die ihr hierfür entstehenden Kosten mit dem Vergütungssatz für die ambulante Rehabilitationsleistung abgegolten. Damit seien die Fahrtkosten in den Vergütungssatz einberechnet, was für die Annahme eines Entgelts im Sinne von § 1 Abs. 1 PBefG genüge.
Geschäftsmäßigkeit
Zudem sei der Fahrdienst der Klägerin eine geschäftsmäßige Beförderung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PBefG. Deshalb unterfalle er auch unabhängig von seiner Entgeltlichkeit dem Personenbeförderungsgesetz. Und zwar sei als geschäftsmäßig jede auf Dauer gerichtete, in Wiederholungsabsicht vorgenommene Beförderung zu verstehen (BT-Drs. 3/255 S. 24; vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 1993 – 7 B 16.93 – Buchholz 442.01 § 1 PBefG Nr. 2 S. 1). Bereits die Vorinstanzen hätten festgestellt, dass der Fahrdienst regelmäßig nach bestimmten Wochenplänen angeboten würde. Daher sei er sowohl auf Dauer ausgerichtet als auch wiederholt beabsichtigt und damit geschäftsmäßig.
Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Keine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Personenbeförderungsgesetz
Auf den Fahrdienst der Klägerin finde die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG keine Anwendung. Und zwar würden nach dieser Norm dem Personenbeförderungsgesetz unter anderem nicht Beförderungen mit Personenkraftwagen unterliegen, wenn sie zwar entgeltlich sind, das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt aber nicht übersteigt, so das BVwerG. Diese Voraussetzung liege nicht vor.
Kein unmittelbares Entgelt ausgewiesen
Zwar fehle es an einem für den Fahrdienst ausgewiesenen Anteil des vereinbarten Vergütungssatzes für die Rehabilitationsleistung.
Mittelbares Entgelt
Allerdings sei als Entgelt für die Beförderung auch das mittelbar durch die vertragliche Sicherstellung der Fahrten erlangte Entgelt für die Rehabilitationsmaßnahmen selbst zu berücksichtigen. Und zwar würden zum Gesamtentgelt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG auch solche mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile einer Beförderung zählen, die für die Erwerbstätigkeit des Beförderers aus dem durch das Angebot eines Fahrdienstes geförderten Vertragsabschluss folgen, so das BVerwG.
Hier seien solche mittelbaren Vorteile im Tagessatz für die Rehabilitationsmaßnahmen von 75 € zu sehen. Und zwar hätte sich die Klägerin gegenüber den Kostenträgern vertraglich zur Sicherstellung der Patientenfahrten zwischen Gesundheitszentrum und Wohnung verpflichtet. Ohne die vertragliche Übernahme dieser Verpflichtung hätte die Klägerin den Vertrag nicht erhalten.
Mithin bewirke der Fahrdienst, vermittelt über den Vertrag mit den Krankenkassen, die zum Tagessatz abrechenbaren Behandlungsverhältnisse und fördere damit die Erwerbstätigkeit der Klägerin als Betreiberin einer Rehabilitationseinrichtung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG. Dafür genüge, dass eine Beförderung verbindlich – z.B. aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung – in Aussicht gestellt wird und sich dies positiv auf die Geschäftstätigkeit auswirkt. Auf eine Gewinnerzielung komme es für die Anwendung des Personenbeförderungsgesetzes nicht an.
Der Tagessatz von 75 € überwiege ersichtlich die Betriebskosten auf der Grundlage des engen Betriebskostenbegriffs für die tägliche Patientenfahrt von der Wohnung zur Einrichtung und zurück. Wie zu entscheiden wäre, wenn im Tagessatz ein bestimmter Anteil für die Kosten der Fahrt ausgewiesen wäre, könne offen bleiben. Ebenso bedürfe keiner Entscheidung, ob sonstige wirtschaftliche Vorteile – wie das Berufungsgericht meint – auch in weiteren Behandlungsverträgen im Anschluss an eine Behandlung auf der Grundlage des Vertrages mit den gesetzlichen Krankenkassen zu sehen sind.
Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Keine Freistellung für ambulante Einrichtungen
Im Übrigen sei der Fahrdienst nicht nach der Freistellungs-Verordnung von der Genehmigungspflicht freigestellt, so das BVerwG. Die Klägerin betreibe nämlich weder ein Krankenhaus noch eine Heilanstalt im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV.
Und zwar würde eine Freistellung von der Genehmigungspflicht voraussetzen, dass die Patienten von einem Krankenhaus oder einer Heilanstalt zu Behandlungszwecken befördert würden, so das BVerwG. Der Betrieb des ambulanten Gesundheitszentrums der Klägerin sei aber weder ein Krankenhaus noch eine Heilanstalt. Der Verordnungsgeber habe darunter nur stationäre Einrichtungen verstanden. Der Kreis der von der Befreiung erfassten Einrichtungen sei vom Verordnungsgeber auch zwischenzeitlich nicht auf ambulante Einrichtungen erweitert worden.
Keine Freistellung für reinen Zubringerdienst zwischen Wohnung und behandelnder Einrichtung
Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Die Patienten der Klägerin würden auch nicht zu sonstigen Behandlungszwecken im Sinne der Verordnung befördert. Dies sei nur anzunehmen, wenn die Patienten zu einer Behandlung in einer dritten Einrichtung befördert werden müssten, die in den Behandlungsablauf bei der befördernden Einrichtung selbst integriert wäre. Insoweit befördere die Klägerin die Patienten weder aus Gründen der Beschäftigungstherapie noch zu sonstigen Behandlungszwecken im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV. Und zwar erfasse die hier allein in Betracht kommende Beförderung zu sonstigen Behandlungszwecken nur Beförderungen von Patienten an einen dritten Therapieort zu einer Behandlung, die in den Therapieablauf bei der befördernden Einrichtung eingegliedert ist, so das BVerwG. Sogenannte Transferfahrten zwischen der Einrichtung und dem Wohnort der Patienten würden dazu gehören.
Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Kein besonderer medizinisch-fachlicher Betreuungsbedarf
Auch ein besonderer medizinisch-fachlicher Betreuungsbedarf während der Fahrt i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG liege bei einfachen Patientenfahrten zwischen Einrichtungen gemäß § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV nicht vor, so das BVerwG.
Ausblick, gesetzliche Veränderungen und Kritik
Genehmigung für Personenbeförderung einer ambulanten Reha?
1. Die Entscheidung des BVerwG ist u.E. auch auf ambulante Pflegedienste und Physiotherapien anwendbar. Letztlich geht es immer nur um die Frage der entgeltlichen oder geschäftsmäßigen Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, mit Oberleitungsomnibussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen.
Auch für solche ambulanten Einrichtungen des Gesundheitswesens dürfte jedenfalls eine Freistellung von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV aus den vom BVerwG genannten Gründen ausgeschlossen sein.
2. Der Gesetzgeber hat im Jahr 2021 die Regelung des § 1 Abs. 2 PBefG insoweit geändert, als nunmehr unentgeltliche Beförderungen mit Personenkraftwagen ausdrücklich vom Genehmigungszwang befreit wurden. Und war die Klarstellung notwendig, weil unklar war, ob die Beförderung nur gegen Entrichtung eines die Betriebskosten nicht übersteigenden Entgelts und nicht auch ohne Entgelt zulässig war.
Zum anderen wurden Zweifelsfragen zum Begriff der Betriebskosten mit der Einführung der Regelung zu dem Betrag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Bundesreisekostengesetz als Maßgabe beseitigt.
3. Der Verordnungsgeber hat es allerdings noch nicht geschafft, Anpassungen vorzunehmen hinsichtlich einer veränderten Versorgungsform. Angesichts vermehrter Angebote ambulanter Versorgung und stärkerer Hinwendung dorthin, wäre, auch im Sinne einer Gleichstellung mit der ambulanten ärztlichen Versorgung, eine Anpassung insoweit angezeigt, als auch die ambulante Behandlung für die Beförderung der Patienten ausreicht. Es sollte weiterhin eine Änderung dahingehend überlegt werden, ob nicht auch Fahrten zwischen Wohnort und Behandlungseinrichtung freigestellt werden.
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Quellen: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 34/2019 v. 08.05.2019 und Juris das Rechtsportal
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Personenbeförderung durch ambulante Reha-Einrichtung? Dazu hat das BVerwG am 08.05.2019, Az. 10 C 1/19, entschieden. Fragen Sie Ihren Fachanwalt für Medizinrecht in unserer Kanzlei