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Keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen fehlerhafter Berechnungsinformation bei Immobiliendarlehen? Dazu hat der BGH am 03.12.2025, XI ZR 75/23, entschieden. Und zwar sei die streitgegenständliche Klausel, die bei der Schadensberechnung in zeitlicher Hinsicht auf die „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ abstellt, unzureichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die streitgegenständliche Klausel erwecke nämlich  den Eindruck, dass sich der Zinsschaden nicht nach einer Laufzeit von maximal 10 Jahren und 6 Monaten (Ablauf Zinsfestschreibung), sondern nach den deutlich längeren Vertragslaufzeiten berechnet. Dies habe nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung und sei geeignet, einen Verbraucher von der Ausübung seines Rechts auf vorzeitige Rückzahlung abzuhalten.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen fehlerhafter Berechnungsinformation bei Immobiliendarlehen? Dazu hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Der Darlehensvertrag

Die Parteien streiten um die Rückerstattung von den Klägern geleisteter Vorfälligkeitsentschädigung. Und zwar schlossen die Parteien am 6./17. Dezember 2018 einen Immobiliar-Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 170.000 €. Sie vereinbarten einen bis zum 31. Dezember 2028 gebundenen Sollzinssatz in Höhe von 2,0% p.a., zahlbar in 247 Monatsraten zu je 840 € ab dem 31. Januar 2019 und einer Schlussrate in Höhe von 401,51 €. Der Darlehensvertrag sieht für den Zeitraum der Sollzinsbindung ein jährliches, nicht auf Folgejahre übertragbares Sondertilgungsrecht von bis zu 17.000 € vor.

Der Vertragsinhalt zur Information über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen fehlerhafter Berechnungsinformation bei Immobiliendarlehen? In dem Darlehensvertrag heißt es jeweils unter anderem:

4 Darlehensrückzahlung und Laufzeit (…)

Vertragslaufzeit Auf Basis der vereinbarten Konditionen ergibt sich eine voraussichtliche Vertragslaufzeit von [20 Jahren und 8 Monaten) . Zinssatz- und Tilgungsänderungen können zu Änderungen der Ratenhöhe und der Anzahl und damit zur Veränderung der anfänglich vereinbarten Darlehenslaufzeit führen. Das Kapitalnutzungsrecht des vereinbarten Darlehens bleibt bei vertragsgemäßer Erfüllung für den gesamten, zur vollständigen Tilgung benötigten Zeitraum erhalten.

7 Vorzeitige Rückzahlung

Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung nach Ziffer 8 an.

8 Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (Ablöseentschädigung)

Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung (vergleiche Ziffer 7 dieses Vertrags) oder im Fall der außerordentlichen Kündigung auf der Grundlage eines berechtigten Interesses (vergleiche Ziffer 8 Satz 2 der Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen) hat der Darlehensnehmer der Bank denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht. Der Berechnung dieses Schadens wird der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode zugrunde legen, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Hypothekenpfandbriefen angelegt werden. Danach wird berücksichtigt:

Der Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung, das heißt, die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht….“

Die weitere Historie

Keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen fehlerhafter Berechnungsinformation bei Immobiliendarlehen?

Für die auf Wunsch der Kläger erfolgten vorzeitigen Darlehensrückzahlungen stellte ihnen die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.550,36 € in Rechnung. Die Kläger zahlten unter Vorbehalt 8.550,36 €.

Die Klage, gerichtet auf Zahlung nebst Verzugszinsen und Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, hatte erstinstanzlich Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten als begründet angesehen und im Übrigen zurückgewiesen. Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag auch im Übrigen weiter.

Vorinstanzen

Erstinstanzlich war das LG Frankenthal, 16. Dezember 2021, 7 O 60/21, mit der Sache befasst und hatte der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht, das OLG Zweibrücken, hatte am 22. März 2023, 7 U 14/22, die Berufung der beklagten Bank zurückgewiesen.

Keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen fehlerhafter Berechnungsinformation bei Immobiliendarlehen? Dazu der BGH

Die Entscheidung

Und zwar hat der BGH die Revision der beklagten Bank gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Zweibrücken vom 22. März 2023 zurückgewiesen.

Anspruch aus § 812 BGB

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, so der BGH. Und zwar hätte das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass ein Anspruch der Beklagten auf die Vorfälligkeitsentschädigungen nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen war und die Kläger diese deshalb ohne rechtlichen Grund gezahlt haben. Die Revision der Beklagten seidaher zurückzuweisen.

Keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen fehlerhafter Berechnungsinformation bei Immobiliendarlehen? Klar und verständliche Information erforderlich

In einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag müsse der Darlehensnehmer gemäß Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB klar und verständlich über die Voraussetzungen und die Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung informiert werden. Sei die Information über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend, sei gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen, so der BGH.

Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genüge es nach ständiger Senatsrechtsprechung, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt. Die Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel sei nicht erforderlich. Fehlende oder fehlerhafte Angaben zur Berechnung würden zum Anspruchsausschluss führen. Abzustellen sei auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher.

Streitgegenständliche Klausel unzureichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB

Nach diesen Maßgaben sei die streitgegenständliche Klausel, die bei der Schadensberechnung in zeitlicher Hinsicht auf die „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ abstellt, unzureichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Angabe Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode als Berechnungsgrundlage in Ordnung

Nicht zu beanstanden ist allerdings der erste Teil der Klausel, wonach im Fall der vorzeitigen Rückzahlung oder im Fall der außerordentlichen Kündigung auf der Grundlage eines berechtigten Interesses der Darlehensnehmer der Bank denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht, und bei der Berechnung dieses Schadens der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode zugrunde legen wird, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Hypothekenpfandbriefen angelegt werden.

Erläuterung der Aktiv-Passiv Methode unzureichend im Hinblick auf maßgeblichen Zeitraum unzureichend

Die vorliegende Erläuterung der Aktiv-Passiv-Methode seit dagegen für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher im Hinblick auf den für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung maßgeblichen Zeitraum unrichtig bzw. zumindest irreführend.

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung sei der Zinsschaden lediglich für den Zeitraum rechtlich geschützter Zinserwartung ersatzfähig. Eine rechtlich geschützte Zinserwartung bestehe bis zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt des Rückzahlungsanspruches oder, wenn dieser zeitlich früher liegt, bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der nächsten zulässigen Kündigung, also insbesondere bis zum Ablauf eines gegebenenfalls vereinbarten Zinsfestschreibungszeitraums, wobei die erstmalige Kündigungsmöglichkeit des Darlehensnehmers nach zehn Jahren (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) die Obergrenze darstelle.

Entgegen der Auffassung der Revision verstehe ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vorliegend die gegenständlichen Vertragsbedingungen dahingehend, dass mit „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ die noch verbliebene Gesamtlaufzeit der Darlehen, nicht aber der Zeitraum der rechtlichen geschützten Zinserwartung bezeichnet wird.

Der Verbraucher begreife „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ als „restliche Laufzeit“ des geschlossenen Vertrags im Sinne der (gesamten) Vertragslaufzeit, nicht aber als durch Zinsvereinbarungen oder durch das Gesetz näher bestimmte Zeitabschnitte desselben. Denn eine Definition der „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ erfolgt in den Vertragsbedingungen nicht, während die „Vertragslaufzeit“ in Ziffer 4 des Darlehensvertrags in räumlichem Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Klausel erläutert wird, wobei auf die voraussichtliche Gesamtlaufzeit des Darlehens abgestellt und diese nach Jahren und Monaten angegeben wird. Anknüpfungspunkte für den Verbraucher, dass sich die „(Rest-)Laufzeit“ nicht auf die zuvor definierte „(Vertrags-)Laufzeit“ bezieht, lägen nicht vor.

Etwas anderes ergebe sich insbesondere nicht aus den in der streitgegenständlichen Klausel befindlichen Verweisen auf Ziffer 7 des Darlehensvertrags und Ziffer 8 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Kredite und Darlehen.

Keine Vorfälligkeitsentschädigung wegen fehlerhafter Berechnungsinformation bei Immobiliendarlehen? Erwecken des Eindrucks, dass sich Vorfälligkeitsentschädigung nach deutlich längerem Zeitraum berechnet

Es könne dahinstehen, ob zur Rechtfertigung eines Anspruchsausschlusses nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung eine hinreichende Schwere aufweisen muss. Eine solche liege hier jedenfalls vor. Und zwar erwecke die streitgegenständliche Klausel den Eindruck, dass sich der Zinsschaden nicht nach einer Laufzeit von maximal 10 Jahren und 6 Monaten, sondern nach den deutlich längeren Vertragslaufzeiten berechnet. Dies habe nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung und sei geeignet, einen Verbraucher von der Ausübung seines Rechts auf vorzeitige Rückzahlung abzuhalten.

Anspruch auf Information zur Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, zur Höhe des Rückzahlungsbetrages und zur Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung ändern am Ergebnis nichts am Ergebnis

Der den Klägern nach § 493 Abs. 5 BGB zustehende Anspruch auf Information zur Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, zur Höhe des Rückzahlungsbetrages und zur Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung ändere an diesem Ergebnis nichts. Und zwar betreffe § 493 Abs. 5 BGB den Fall, dass der Verbraucher im weiteren Verlauf der Vertragsbeziehung beabsichtigt, das Darlehen vorzeitig zurückzuführen, während Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Herstellung von Transparenz im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzielen würden.

Quelle: Juris das Rechtsportal

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

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