Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Dazu hat am 22.02.2017 das OLG Hamm zu Az. 15 W 2/17 entschieden. Und zwar kann ein Gericht ohne sachverständige Begutachtung keine Namensänderung und keine Veränderung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz aussprechen, so das OLG.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? ZU dieser Frage hatte das OLG Hamm über den folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die Person, die den Antrag gestellt hat, ist in rechtlicher Hinsicht ein Mann und beantragt, rechtsverbindlich einen weiblichen Vornamen zu führen und als dem weiblichen statt dem männlichen Geschlecht zugehörig angesehen zu werden. Sie lehnt eine sachverständige Begutachtung ab. Und zwar hält sie ein Sachverständigengutachten voraussetzenden Vorschriften des Transsexuellengesetzes für verfassungswidrig und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar.
Die Vorinstanz
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Vor dem AG Dortmund hatte die Klage keinen Erfolg.
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Dazu das OLG Hamm
Die Entscheidung
Auch vor dem OLG Hamm hatte der Antrag keinen Erfolg. Damit hat das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung des AG Dortmund bestätigt.
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Begutachtung zwingende Voraussetzung
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Das Transsexuellengesetz lasse eine Änderung des Vornamens und der Geschlechtszugehörigkeit nur nach der Erstattung von zwei Sachverständigengutachten zu, so das OLG. Der Gesetzgeber habe die Begutachtung als zwingende Voraussetzung für eine antragsentsprechende Entscheidung normiert. Durch eine Selbsteinschätzung der antragstellenden Person könnten die Gutachten nicht ersetzt werden.
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Wozu müssen die Gutachten Stellung nehmen?
Die Gutachten müssten zu zwei Fragen Stellung nehmen.
Und zwar zum einen, ob sich das Zugehörigkeitsempfinden der antragstellenden Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern werde. Und zum anderen, ob die Person seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehe, ihren transsexuellen Vorstellungen entsprechend zu leben. Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Das Einholen von zwei Sachverständigengutachten, wie vom Transsexuellengesetz (TSG) vorgeschrieben, sei nicht verfassungswidrig und mit der EMRK vereinbar. Die gesetzgeberische Entscheidung, die dem Transsexuellengesetz zugrunde liegt, verletze keine Grundrechte.
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Verfassungsrechtliche Stütze
Insoweit folge das Oberlandesgericht der – immer noch aktuellen – Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2011 (1 BvR 3295/07). Es sei nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen. Gewollt sei, ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und eine Änderung des Personenstandes nur dann zuzulassen, wenn dafür tragfähige Gründe vorlägen und ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden.
Gesetz nicht zu beanstanden
Änderung des Geschlechts ohne Gutachten möglich? Es sei deswegen nicht unzumutbar, wenn das Gesetz zur Änderung der rechtlichen Zuordnung zum nachhaltig empfundenen Geschlecht die Begutachtung durch zwei Sachverständige fordere. Die Belastungen, die durch die Begutachtungen für die antragstellende Person, auch in Form der Notwendigkeit nicht nur persönlichste, sondern intimste Erlebnisse, Gedanken, Grundüberzeugungen offenzulegen, unweigerlich entstehen, würden ihre Grundrechte nicht verletzen.
Es sei angesichts der Bedeutung des Verfahrens für das weitere Leben der antragstellenden Person nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber für ein erfolgreiches Verfahren zur Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nicht nur die Preisgabe der inneren Verfasstheit gegenüber dem erkennenden Gericht verlange. Insoweit könne der Gesetzgeber auch die eingehende fachkundige Erfassung und Beurteilung nach objektivierbaren Kriterien durch besonders befähigte Sachverständige verlangen. Diese seien im Übrigen als gerichtlich bestellte Sachverständige ebenso zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichtet seien wie die erkennenden Richter.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 12.04.2017 und Juris das Rechtsportal
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