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Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz-Darlehen“? Dazu hat der BGH am 17.10.2023, Az. XI ZR 160/22, entschieden. Und zwar hat der BGH das Urteil des des Berufungsgerichts (OLG Köln vom 02.06.2022, Az. I-12 U 31/21, erstinstanzlich: LG Bonn, Urteil vom 21.01.2021, 17 O 146/17), insbesondere insoweit aufgehoben, als das OLG Köln die Berufung hinsichtlich des von dem Kläger beanspruchten Nutzungsersatzes betreffend die Rückabwicklung der Darlehensverträge zurückgewiesen hat.

Das OLG Köln und das LG Köln hatten noch die zum BGH gegenteilige Auffassung vertreten. Und zwar vertraten das OLG Köln und das LG Bonn die Ansicht, dass der klagende Verbraucher nach wirksamem Widerruf der Darlehensverträge im Rahmen des Rückabwicklungs-verhältnisses von der beklagten Bank keinen Nutzungsersatz hinsichtlich der von ihm an die Bank erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verlangen könne.

Vor dem Hintergrund des EuGH Urteils vom 04.06.2020 (C-301/18) sei nämlich der Verweis des § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. auf die Rücktrittsregeln des § 346 BGB a.F. im Wege einer europarechtskonformen Rechtsfortbildung teleologisch zu reduzieren, so das OLG Köln und das LG Bonn. Daher könne der klagende Darlehensnehmer bei der Rückabwicklung gemäß §§ 357, 346 Abs. 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB a.F. keinen Nutzungsersatz auf die von ihm erbrachten Zins und Tilgungsleistungen beanspruchen.

Wie bereits onben ausgeführt, revidierte der BGH die Entscheidung des OLG Köln als Berufungsgericht mit Urteil vom 17.10.2023, Az. XI ZR 160/22. Nach der Gesetzeslage seit 2014 wiederum kann in den betreffenden Fällen seitens des Bankkunden Nutzungsersatz nicht mehr beansprucht werden. Im Einzelnen:

Das LG Bonn

Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz-Darlehen“? Rechtmäßiger Widerruf

In dem vom LG Bonn entschiedenen Rechtsstreit stritten die Parteien über die Wirksamkeit und die Rechtsfolgen des Widerrufs zweier im Wege des Fernabsatzes im Jahr 2005 geschlossener Darlehensverträge, die fehlerhafte Widerrufsbelehrungen (…frühestens…) enthielten. Und zwar handelte es sich zum einen um einen zum einen am 10./11.11.2005 einen Wohnungsbaudarlehensvertrag über Finanzierungsmittel in Höhe von 122.000,00 € und zum anderen um einen am 10./11.11.2005 geschlossenen Wohnungsbaudarlehensvertrag über Finanzierungsmittel in Höhe von 1115.000,00 €.

Das LG Bonn war der Ansicht, dass der vom Kläger zu den beiden streitbefangenen Darlehensverträgen am 14.11.2015 jeweils erklärte Widerruf seiner Willenserklärung wirksam gewesen ist.

Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz-Darlehen“? Und zwar sei das Widerrufsrecht mangels ordnungsgemäßer Belehrung gem. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. nicht erloschen. Die Widerrufsbelehrungen enthielten Hinweis, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne. Damit hätten sie nicht den Vorgaben des § 312d Abs. 2, Abs. 5 BGB a.F. genügt, wonach die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312c  Abs. 2 BGB und nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses beginnt. Diese für den Beginn der Widerrufsfrist von § 355 Abs. 2 S. 1 BGB abweichende Regelung sei vorliegend umzusetzen, da es sich bei beiden Darlehensverträgen unstreitig um Fernabsatzverträge im Sinne von § 312b BGB a.F. handele, so das LG Bonn.

Und zwar regelt Art. 7 Abs. 4 der FinFARL die Erstattungspflicht des Darlehensgebers im Falle einer Rückabwicklung des Darlehensvertrages aufgrund eines Widerrufs. Die vollharmonisierende FinFARL sieht keinen  Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber vor.

Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz – Darlehen“?

Ausgehend davon, dass sich die Darlehensverträge mit wirksamen Widerruf vom 14.11.2015 in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt hätten, hätte der Kläger gleichwohl keinen Anspruch auf die Zahlung von Nutzungsersatz für die von ihm erbrachten Zahlungen, so das LG Bonn.

Zwar würden auf das Widerrufsrecht gemäß § 357 Abs 1 S. 1 BGB a.F. soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechend Anwendung finden, die gemäß § 346 Abs. 1 2.HS BGB die Herausgabe gezogener Nutzungen vorsehen. Jedoch sei für die streitgegenständlichen Darlehensverträge die Regelung des § 357 Abs.1 S. 1 BGB a.F. im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 der FinFARL im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung dahingehend auszulegen, dass der Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers von der Verweisung des § 357 Abs 1 S. 1 BGB a.F. nicht erfasst ist, so das LG Bonn.

Mit Urteil vom 04.06.2020 (C-301/18) hatte der EuGH entschieden, dass die vollharmonisierende FinFARL die Rechtsfolgen des Widerrufs abschließend regelt und daher nationalem Recht entgegen steht. Und zwar sehe die vollharmonisierende FinFARL keinen Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber vor. Daher könne der Darlehensnehmer bei der Rückabwicklung gemäß §§ 357, 346 Abs. 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB a.F. keinen Nutzungsersatz auf die von ihm erbrachten Zins und Tilgungsleistungen beanspruchen.

Die nationalen Gerichten hätten bei der Anwendung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts nun diesem vom EuGH konkretisierten Richtlinienverständnis Rechnung zu tragen, so das LG Bonn.

Hinweis zur weiteren Entwicklung der Rechtsprechung und Gesetzeslage

Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz-Darlehen“? Der weitere Weg bis zum BGH

Das OLG Köln hatte die Entscheidung des LG Bonn bestätigt. Der BGH hat dann mit Urteil vom 17.10.2023, Az. XI ZR 160/22, auf die Revision des Klägers das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Juni 2022 (I-12 U 31/21) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt aufgehoben. Und zwar hat der BGH das Urteil des OLG Köln insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung hinsichtlich des von dem Kläger beanspruchten Nutzungsersatzes betreffend die Rückabwicklung der Darlehensverträge zurückgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung hatte der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Begründung des BGH

Und zwar führte der BGH in seiner Entscheidung aus, dass eine Auslegung des nationalen Rechts im Lichte des Unionsrechts dahin, dass einem Verbraucher aus einem nach erklärtem Widerruf rückabzuwickelnden im Fernabsatz im Sinne der Richtlinie 2002/65/EG geschlossenen Darlehensvertrag kein Anspruch aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung vom 27. Juli 2011 i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auf Nutzungsersatz hinsichtlich erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen zusteht, in Betracht komme. Für eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion fehle es an einer verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Geltung des neuen Rechts auf die Zukunft zu beschränken, könne nicht revidiert werden.

Bereits vorheriges Urteil des BGH

Das vorgenannte Urteil des BGH vom 17.10.2023 stellt eine Fortführung dessen Entscheidung vom 04.07.2023, Az. XI ZR 77/22, dar.

Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz-Darlehen“? Und zwar sei § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass dem Verbraucher aus einem nach erklärtem Widerruf rückabzuwickelnden im Fernabsatz geschlossenen Darlehensvertrag kein Anspruch aus § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auf Nutzungsersatz hinsichtlich der von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zusteht, so der BGH.

Richtlinienkonforme Auslegung darf nicht zu Verfälschung des Regelungsziels des Gesetzgebers führen

Die Entscheidung darüber, ob im Rahmen des nationalen Rechts ein Spielraum für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung besteht, obliege den nationalen Gerichten (BVerfG, WM 2012, 1179, 1181; NVwZ-RR 2018, 169 Rn. 37). Und zwar dürfe eine richtlinienkonforme Auslegung nicht dazu führen, dass das Regelungsziel des Gesetzgebers in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird, oder dazu, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Richterliche Rechtsfortbildung berechtige den Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen.

Keine planwidrige Unvollständigkeit

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht unter Hinweis darauf konstruiert werden, der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien jedenfalls den zwingenden Vorgaben der Richtlinie 2002/65/EG genügen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2018 – XI ZR 702/16, WM 2018, 1601 Rn. 14). Die Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 15/2946, S. 23 re. Sp.) würden vielmehr im Gegenteil belegen. Und zwar habe danach der Gesetzgeber mit der Verweisung in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF auf § 346 Abs. 1 BGB einen Nutzungsersatzanspruch des Verbrauchers bewusst schaffen wollen.

Denn dort heiße es unmissverständlich, dass im Fall des Widerrufs gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB nicht nur die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, sondern auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben sind. Und zwar würden hiermit im Einklang stehen die Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien zu dem späteren Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642) stehen. Auch dort heiße es, dass dem Darlehensnehmer gegen den Darlehensgeber im Fall des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen bisher ein Anspruch auf Herausgabe oder Ersatz von Nutzungen über § 346 BGB zugestanden habe (BT-Drucks. 17/12637, S. 65 re. Sp.).

Die Gesetzeslage seit 2014

Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz-Darlehen“? Die Rechtsfolgen eines Widerrufs von Verträgen über Finanzdienstleistungen sind seit 2014 in § 357a BGB geregelt. Und zwar wird dort auf die Rücktrittsregeln gemäß § 346 BGB, wo der Anspruch auf Nutzungsersatz geregelt ist, nicht mehr verwiesen. Seitdem kann in den betreffenden Fällen seitens des Bankkunden Nutzungsersatz von Gesetzes wegen nicht mehr beansprucht werden.

Quelle: Pressemitteilung des LG Bonn v. 08.02.2021 und Juris das Rechtsportal

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Kein Nutzungsersatz nach Widerruf von „Fernabsatz-Darlehen“? Dazu hat das LG Bonn am 21.01.2021 (17 O 146/17) entschieden. Dazu fragen Sie den Fachanwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht in unserer Kanzlei