Kürzung des Unterhalts für geschiedene Ehefrau? Dazu hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urt. v. 18. November 2009 – XII ZR 65/09 – entschieden, dass der geschiedene Ehemann unter Umständen die Herabsetzung des Unterhalts für die geschiedene Ehefrau verlangen kann. Und zwar, wenn er wieder geheiratet hat und nunmehr auch seiner neuen Ehefrau unterhaltspflichtig ist. In welchem Umfang er gegenüber der neuen Ehefrau unterhaltspflichtig ist, bestimmt sich dann allerdings nicht nach der frei wählbaren Rollenverteilung innerhalb der neuen Ehe. Sondern nach den strengeren Maßstäben, wie sie auch für geschiedene Ehegatten gelten.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Zum Thema „Kürzung des Unterhalts für geschiedene Ehefrau?“ hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die 1975 geschlossene kinderlose Ehe wurde 2003 geschieden. Seit der Scheidung ist der klagende geschiedene Ehemann, ein Chemieingenieur, der von ihm geschiedenen beklagten Ehefrau, die als Reinigungskraft arbeitet, zum sog. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) verpflichtet. Aus der Ehe des seit 2004 wieder verheirateten geschiedenen klagenden Ehemanns ist 2005 ein Sohn hervorgegangen. Außerdem adoptierte der Kläger im Jahr 2006 den 1997 geborenen Sohn seiner jetzigen Ehefrau. Diese ist nicht erwerbstätig. Der Unterhalt der vom Kläger geschiedenen beklagten Ehefrau wurde zuletzt durch Urteil des Familiengerichts vom August 2007 auf mtl. 607 € festgesetzt. Bei der Unterhaltsberechnung wurden zwar die Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber den beiden Kindern berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wurde aber die Unterhaltspflicht gegenüber seiner jetzigen Ehefrau. Kann der Unterhalt für die geschiedene Ehefrau herabgesetzt werden?
Die Vorinstanzen
Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht haben dem Begehren des klagenden geschiedenen Ehemanns auf Kürzung des Unterhalts für die geschiedene Ehefrau unter Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs der neuen Ehefrau teilweise stattgegeben und den Unterhalt der Beklagten auf mtl. 290 € reduziert. Die Gerichte verneinten die vom Kläger für die Zeit ab 2008 begehrte weitere Herabsetzung, weil auch die neue Ehefrau nur teilweise unterhaltsbedürftig sei. Eine Befristung des Unterhalts haben beide Vorinstanzen abgelehnt. Kann der Unterhalt für die geschiedene Ehefrau weiter gekürzt werden?
Kürzung des Unterhalts für geschiedene Ehefrau? Dazu der BGH
Bestätigung bisheriger Rechtsprechung
Zum Anspruch auf Herabsetzung des Unterhalts gegen die geschiedene Ehefrau: Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung (Senatsurteil BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911) bestätigt. Demzufolge sind nach der Scheidung entstandene Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und auch gegenüber dem neuen Ehegatten schon bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen. Aus dem Gedanken der Teilhabe des Unterhaltsberechtigten am Lebensstandard des unterhaltspflichtigen Ehegatten folge nämlich zugleich dessen Begrenzung auf den Standard, der dem Unterhaltspflichtigen selbst jeweils aktuell zur Verfügung stehe. Dessen Lebensstandard sinke durch hinzugetretene Unterhaltspflichten ebenso wie bei anderen unverschuldeten Einkommensrückgängen.
Auswirkung
Die wesentliche Auswirkung dieser Rechtsprechung besteht darin: Nach früherer Praxis wurde das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zum Stichtag der Ehescheidung zunächst zwischen ihm und dem geschiedenen Ehegatten aufgeteilt (sog. Stichtagsprinzip). Nur das verbleibende Einkommen stand ihm für sich und seine neue Familie zur Verfügung. Nach der geänderten Rechtsprechung ist das Einkommen nunmehr gleichmäßig aufzuteilen. Wie wirkt sich dies hinsichtlich der Frage einer Kürzung des von der geschiedenen Ehefrau beanspruchten Unterhalts aus?
Beispiel: Einkommen des Unterhaltspflichtigen 4000 € bei einem geschiedenen und einem neuen Ehegatten, die beide vollständig unterhaltsbedürftig sind.
Berechnung bis 2007 (Stichtagsprinzip): Unterhalt des geschiedenen Ehegatten: 4000 € : 2 = 2000 € Unterhalt des neuen Ehegatten: 2000 € : 2 = 1000 €. Dem Unterhaltspflichtigen verbleiben 1000 €
Berechnung nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Unterhalt des geschiedenen wie auch des neuen Ehegatten: 4000 € : 3 = je 1333 €. Dem Unterhaltspflichtigen verbleiben 1333 €.
Berücksichtigung neue Ehefrau
Wie ist die neue Ehefrau bei der Beantwortung der Frage einer Kürzung des von der geschiedenen Ehefrau beanspruchten Unterhalts zu berücksichtigen? Und zwar hat der BGH im Rahmen der Unterhaltsberechnung nicht akzeptiert, dass die neue Ehefrau – anders als die geschiedene Beklagte – nicht erwerbstätig ist. Vielmehr seien für die geschiedene wie für die neue Ehefrau die gleichen Maßstäbe anzuwenden. Zwar sei die Rollenverteilung in der neuen Ehe gesetzlich zulässig und könne nicht als rechtsmissbräuchlich bewertet werden. Die Rollenverteilung betreffe indessen nur das Innenverhältnis zwischen den neuen Ehegatten.
Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten
Wie ist diese Rollenverteilung vor dem Hintergrund der Frage, ob ein Anspruch auf Kürzung des Unterhalts gegenüber der geschiedenen Ehefrau besteht, zu beantworten? Und zwar ergebe sich bereits aus der vom Gesetzgeber im anderen Zusammenhang getroffenen Entscheidung (zum Rang der Unterhaltsansprüche vgl. § 1609 Nr. 2 BGB), dass diese Rollenverteilung im Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten nicht ausschlaggebend sein darf, so der BGH. Danach sollten für den geschiedenen und den neuen Ehegatten im Hinblick auf die Erwerbsverpflichtung die gleichen Maßstäbe gelten. Daher sei der Unterhalt der neuen Ehefrau zum Zwecke der Gleichbehandlung so zu ermitteln, als wäre die neue Ehe ebenfalls geschieden. Auch eine anderweitige Regelung der Ehegatten im Hinblick auf die Dauer der Kinderbetreuung (sog. elternbezogene Gründe nach § 1570 Abs. 2 BGB) könne aus diesen Gründen grundsätzlich nicht ausschlaggebend sein.
Zur weiteren Frage der Befristung des Geschiedenenunterhalts hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass sich in Bezug auf den sog. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) die Rechtslage seit dem 1. Januar 2008 nicht maßgeblich geändert habe. Die neue Vorschrift des § 1578 b BGB stelle insoweit nur klar, was bereits aufgrund des Urteils des erkennenden Senats vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006) gegolten habe. Konsequenz dieser Entscheidung ist somit, dass bei bestimmten rechtskräftigen Unterhaltstiteln bei ansonsten gleich gebliebener Tatsachenlage eine nachträgliche Befristung aufgrund der Rechtskraft des vorausgegangenen Urteils ausgeschlossen ist. Und zwar bei denjenigen Unterhaltstiteln, die vor der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsreform, aber nach der Änderung der Rechtsprechung im Jahr 2006 erlassen wurden.
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