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Keine großen Brüste für Transsexuelle? Dazu hat der 1. Senat des BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 11/12 R – entschieden. Und zwar haben nach Auffassung des BSG Transsexuelle Versicherte einen Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin einen Anspruch auf Kostenübernahme für die beantragte MAP.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Keine großen Brüste für Transsexuelle? Zu dieser Frage hatte Bundessozialgericht über folgenden Sachverhalt entschieden:

Bei dem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Versorgung mit einer Mamma-Augmentationsplastik (MAP) hat. Bei der Klägerin, anatomisch männlich geboren, wurde 2008 nach Östrogentherapie eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt. Die Kosten hierfür wie auch für die vorangegangene Therapie wurden von der beklagten Krankenkasse übernommen. Nach Zufuhr von Östrogenen hatte sich bei der Klägerin eine mäßige seitengleiche weibliche Brust entwickelt. Eine Steigerung der Östrogenzufuhr führte zu keinem weiteren Brustwachstum.

Daraufhin hatte die Klägerin bei der Krankenkasse beantragt, die Kosten für eine operative Brustvergrößerung zu übernehmen, um den geschlechtsangleichenden Eingriff zu vervollständigen. Keine großen Brüste für Transsexuelle? Und zwar lehnte die Krankenkasse eine entsprechende Kostenübernahme ab, da sich eine Brust entwickelt habe und kein krankhafter Befund vorliege. Die Klägerin hat u.a. geltend gemacht, dass sie sich erst mit einer entsprechenden Brustausformung tatsächlich als Frau fühle und erheblich psychisch unter dem geringen Brustwachstum leide, wenn man zudem ihre Körpergröße berücksichtige.

Die Vorinstanzen

Keine großen Brüste für Transsexuelle? Das Sozialgericht Freiburg hat einen Anspruch auf Kostenübernahme abgelehnt. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat Urteil vom 25. Januar 2012 – L 5 KR 375/10 – die Verpflichtung der beklagten Krankenkasse, die Kosten einer Brustvergrößerung der transsexuellen Klägerin zu tragen, ebenfalls abgelehnt.

Keine großen Brüste für Transsexuelle? Dazu das BSGH

Die Enscheidung

Der 1. Senat des BSG hat das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Januar 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Januar 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren.

Krankheit

Keine großen Brüste für Transsexuelle? Die Klägerin leide an einer Krankheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus als regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedürfe.

Indikation

Grundsätzlich verneine die ständige Rechtsprechung des BSG eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst würden, so das BSG.

Keine großen Brüste für Transsexuelle? Unter Hinweis auf das Transsexuellengesetz (TSG) und den Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 – 1 BvR 3295/07 führte das BSG dann weitergehend aus, dass der Befund des Transsexualismus allerdings eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertige.

Vor diesem Hintergrund habe eine medizinische Indikation im vorliegenden Fall zur Voraussetzung, dass zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken.

Anspruch auf eine Mamma-Augmentationsplastik (MAP)

Keine großen Brüste für Transsexuelle? Transsexuelle Versicherte hätten einen Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern. Und zwar seien die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen seien auf einen Zustand beschränkt, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt.

Keine großen Brüste für Transsexuelle? Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für eine Mamma-Augmentationsplastik (MAP). Und zwar sei der Anspruch der Klägerin auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Und zwar stehe fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordere. Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP seien zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Nach den dargelegten Kriterien habe die Klägerin im vorliegenden Fall jedenfalls einen Anspruch auf eine MAP.

Quelle: BSG, Urteil vom 11.09.2012, Az. B 1 KR 11/12 R in Juris das Rechtsportal

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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