AGG – Hopper 2.0 unterwegs? Dazu hatte das BAG am 19.09.2024, 8 AZR 21/24, entschieden. Und zwar hatte das BAG die klägerseits gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm eingelegte Revision zurückgewiesen. Das schriftliche Urteil liegt zwar noch nicht vor. Allerdings hat das BAG in der Verhandlung am 19.09.2024 zu erkennen gegeben, dass es sich der Rechtsauffassung der Vorinstanz anschließt.
Das Landesarbeitsgericht führte insoweit aus, dass einem Entschädigungsverlangen nach dem AGG der Einwand des Rechtsmissbrauchs u.a. auch dann entgegenstehen könne, wenn ein Kläger sich systematisch auf eine Vielzahl von AGG-widrig ausgeschriebene Stellen als „Sekretärin“ im Sinne eines durch ihn weiterentwickelten Geschäftsmodells „2.0“ bewirbt, mit dem alleinigen Ziel, Entschädigungsansprüche nach dem AGG durchzusetzen und hierdurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Ein solches fortentwickeltes Geschäftsmodell könne sich daraus ergeben, dass ein Kläger – aufgrund von verlorenen Entschädigungsprozessen in der Vergangenheit – gezielt ihm darin durch Gerichte vorgehaltene Rechtsmissbrauchsmerkmale bei zukünftigen Bewerbungen minimiert und die Bewerbungen entsprechend anpasst, die ebenfalls seitens der Gerichte konkret monierten, untauglichen Bewerbungsunterlagen aber bewusst und konstant auf niedrigem Niveau belässt, um bei der Stellenbesetzung selbst nicht berücksichtigt zu werden.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien um einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Der 1994 geborene Kläger ist ledig und keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Er hat Abitur und eine abgeschlossene Ausbildung zu Industriekaufmann. Er ist wohnhaft in A bei B, ist arbeitslos, bezieht Bürgergeld und absolviert im Fernstudium, das einen Abschluss als Wirtschaftsjurist vorsah.
Und zwar hatte sich der Kläger in der Vergangenheit mehrfach weiträumig auf nicht AGG-konform formulierte Stellenausschreibungen für eine „Sekretärin“ bei diversen Unternehmen beworben. Und zwar hatten die Unternehmen ihre offenen Stellen ausschließlich an Frauen adressiert. Das sind Diskriminierungen wegen des Geschlechts, die jeweils einen Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz gem. § 15 AGG begründen können.
Nach Erhalt von Absagen führte der Kläger dann im Nachgang Entschädigungsprozesse aufgrund einer etwaigen Benachteiligung wegen des Geschlechts. So auch im vorliegenden Fall.
AGG – Hopper 2.0 unterwegs? Die Vorinstanzen:
Das Arbeitsgericht Dortmund hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf die begehrte Entschädigungszahlung aus § 15 Abs. 2 S. 1 AGG zu, so das Arbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Wie bereits das Arbeitsgericht vertrat auch das Landesarbeitsgericht die Auffassung, dass dem Kläger der Anspruch wegen Rechtsmissbrauch gemäß § 242 BGB nicht zusteht. Und zwar machte das Gericht das seiner Ansicht nach rechtsmissbräuchliche Verhalten des Mannes an mehreren Punkten fest: Die Entfernung der Stelle vom Wohnort des Mannes, der Inhalt sowie die Art und Weise der Bewerbung und die Unvereinbarkeit der Vollzeitstelle mit einem Vollzeitstudium.
AGG – Hopper 2.0 unterwegs? Allerdings stütze sich die Kammer maßgeblich die durch die Prozesshistorie belegte Entwicklung des Bewerbungsverhaltens einschließlich der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen durch den Kläger. Und zwar sprach die Kammer dabei von einem Geschäftsmodell in ‚zweiter Generation‘, und bezog sich dabei auf die vielen weiteren Klagen, die der Student geführt habe. Diese hatte das beklagte Unternehmen während des Verfahrens vorgetragen: So hätte der Kläger neben dieser in Dortmund mindestens in Berlin innerhalb von 15 Monaten elf Klagen sowie weitere in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen geführt.
AGG – Hopper 2.0 unterwegs? Dazu das BAG:
Die Entscheidung
Das BAG hat die klägerseits gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm eingelegte Revision zurückgewiesen.
Benachteiligung
Grundsätzlich steht einem Bewerber bei einer Benachteiligung im Sinne des AGG ein Entschädigungsanspruch wie folgt zu:
„§ 15 Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.“
AGG – Hopper 2.0 unterwegs? Rechtsmissbrauch
Das Landesarbeitsgericht hatte bereits offengelassen, ob der Entschädigungsanspruch dem Grunde nach besteht, weil jedenfalls der Geltendmachung des Anspruchs, d.h. der Durchsetzbarkeit, jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegen stehe.
Der Senat betonte in der Verhandlung zwar, dass ihm das AGG sehr am Herzen liege und es durchaus erstaunlich sei, dass, dass es im Jahr 2023 und 2022 – den Zeiträumen des Sachverhaltes – noch Arbeitgeber gebe, die keinen geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen machen. AGG – Hopper 2.0 unterwegs? Das BAG betonte in der Verhandlung aber, dass das LAG die Anspruchsvoraussetzungen für die Entschädigung dabei erst gar nicht geprüft hätte. Und zwar könne dies dahinstehen, weil jedenfalls ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliege.
Quellen: Juris das Rechtsportal und LTO Recht (https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bag-8azr2124-wirtschaftsjurist-bewerbung-agg-sekretaerin-hopping)
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