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Aufhebungsvertrag nicht widerruflich? Dazu hat das BAG am 07.02.2019, Az. 6 AZR 75/18, entschieden. Und zwar kann ein Arbeitnehmer, so das BAG in dem entschiedenen Fall, einen arbeitsvertraglichen Aufhebungsvertrag auch dann nicht widerrufen, wenn er in ihrer Privatwohnung abgeschlossen wurde. Jedoch kann nach Auffassung des BAG ein Aufhebungsvertrag unwirksam sein, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Aufhebungsvertrag nicht widerruflich? Zu dieser Frage hatte das BAG über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Bei der Beklagten war die klagende Arbeitnehmerin als Reinigungskraft beschäftigt und schloss in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten der Beklagten als deren Bevollmächtigter einen Aufhebungsvertrag. Dieser Aufhebungsvertrag sah die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Und zwar ohne Zahlung einer Abfindung.

Umstritten sind Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen. Die Klägerin trug vor, am Tag des Vertragsschlusses erkrankt gewesen zu sein. Sie hat den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung (Ankündigung fristlose Kündigung durch Arbeitgeber als Alternative) angefochten und hilfsweise widerrufen. Mit ihrer Klage wendet sie sich u.a. gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag.

Die Vorinstanz

Das LArbG Hannover, Urt. v. 07.11.2017 – 10 Sa 1159/16 – hatte den abgeschlossenen Aufhebungsvertrag als nicht widerruflich angesehen und die Klage abgewiesen.

Widerruf eines Aufhebungsvertrages möglich? Dazu das BAG:

Die Entscheidung

Auf die Revision der Klägerin hat das BAG das Urteil des LArbG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LArbG zurückverwiesen. Zwar hatte auch das BAG den abgeschlossenen Aufhebungsvertrag als nicht widerruflich angesehen. Die Zurückverweisung an das LArbG hatte das BAG dann aus anderen Gründen vorgenommen. Im Einzelnen:

Teilweise Zustimmung zur Entscheidung des LArbG

Aufhebungsvertrag nicht widerruflich? Das LArbG hat nach Auffassung des BAG rechtsfehlerfrei erkannt, dass dem Vortrag der Klägerin kein Anfechtungsgrund entnommen werden kann. Insbesondere sei der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich. Der Klägerin stehe kein Widerrufsrecht gemäß § 355 iVm. § 312g Abs. 1, § 312b BGB zu.

Zwar hätten Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB. Auch Arbeitnehmer seien Verbraucher.

Aufhebungsvertrag nicht widerruflich? Der Wille des Gesetzgebers

Jedoch sei im Gesetzgebungsverfahren der folgende Wille des Gesetzgebers deutlich geworden: Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge sind nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen. Der Widerruf eines Aufhebungsvertrages durch einen Arbeitnehmer sei auch dann nicht möglich, wenn er in der Wohnung des Arbeitnehmers geschlossen worden ist.

Grund der Aufhebung der LArbG – Entscheidung

Auch das BAG hat also den agbeschlossenen Aufhebungsvertrag als nicht widerruflich angesehen.

Jedoch habe das LArbG nicht die Beachtung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Gebotes fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags geprüft, so das BAG. Diese Nebenpflicht werde in folgender Konstellation verletzt: Eine Seite schaffe eine psychische Drucksituation (wie Ankündigung fristlose Kündigung durch Arbeitgeber als Alternative), die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwere.

Hier könnte eine solche Nebenpflichtverletzung vorliegen, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Dann hätte die Beklagte Schadensersatz zu leisten. Sie müßte dann den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde – sog. Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB -.

Dann wäre die Klägerin so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies würde zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen. Daher werde das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages erneut zu beurteilen haben.

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Siehe auch:

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Quellen: Pressemitteilung des BAG Nr. 6/2019 v. 07.02.2019, https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/kein-widerruf-von-aufhebungsvertraegen-gebot-fairen-verhandelns/, und Juris das Rechtsportal

Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Aufhebungsvertrag nicht widerruflich? Dazu hat das Bundesarbeitsgericht am 07.02.2019, Az. 6 AZR 75/18, entschieden.
Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Aufhebungsvertrag nicht widerruflich? Dazu hat das Bundesarbeitsgericht am 07.02.2019, Az. 6 AZR 75/18, entschieden. Fragen Sie den Anwalt für Arbeitsrecht und Kündigungsschutzrecht in unserer Kanzlei