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Leistungen der Verhinderungspflege auch im betreuten Wohnen? Dazu hat am 10.08.2019 das SG Detmold zu Az. S 6 P 144/17 entschieden. Und zwar können Leistungen der Verhinderungspflege nur bei Abwesenheit der Pflegeperson gezahlt werden, so das SG.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Leistungen der Verhinderungspflege auch im betreuten Wohnen? Zu ndieser Frage hatte das SG Detmold über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Klägerin war eine 42jährige, pflegebedürftige Frau und lebt in einer Einrichtung des betreuten Wohnens. An den Wochenenden und Feiertagen hält sie sich bei ihren Eltern auf. Wie in den Jahren zuvor, nahm Sie im August 2017 an einer Reise eines Veranstalters teil, der spezielle Gruppenreisen für Menschen mit Behinderungen anbietet. Dafür fielen Kosten in Höhe von 2.601,55 Euro an. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit die Kosten hierfür jeweils getragen.

Entscheidung der Beklgaten Pflegekasse

Die beklagte Pflegekasse lehnte jedoch den vor Beginn der Reise erneut gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen der Verhinderungspflege und von Betreuungs- und Entlastungsleistungen erstmals ab. Begründung: Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. Und zwar könne die Erbringung von Verhinderungspflege nur erfolgen, wenn die private Pflegeperson an der Pflege gehindert sei, so die Beklagte. Die Klägerin lebe jedoch in einer vollstationären Behinderteneinrichtung und werde tageweise im häuslichen Bereich gepflegt. Die Versorgung der Klägerin könne zu jeder Zeit in der Behinderteneinrichtung erfolgen.

Leistungen der Verhinderungspflege auch im betreuten Wohnen? Dazu das SG Detmold

Die Entscheidung

Das SG Detmold hat die Klage abgewiesen.

Anspruchsgrundlage

Anspruchsgrundlage der begehrten Kostenübernahme sei § 39 Abs. 1 S. 1, 1. Halbsatz Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Ist eine Pflegeperson danach wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert, übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr. Voraussetzung ist nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB XI, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat und der Pflegebedürftige zum Zeitpunkt der Verhinderung mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist.

Vortrag der Verhinderung der Pflegeperson fehlt

Vorliegend hat die Klägerin weder behauptet noch nachgewiesen, dass ihre Pflegeperson an ihrer Pflege gehindert gewesen ist, so dass die gesetzlich normierten Tatbestandsvoraussetzungen offenkundig nicht erfüllt sind.

Leistungen der Verhinderungspflege auch im betreuten Wohnen? Notwendigkeit der Ersatzpflege fehlt zudem

Darüber hinaus stehe dem geltend gemachten Anspruch entgegen, dass die Ersatzpflege im streitigen Zeitraum nicht notwendig im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 1 SGB XI war, da die Klägerin in der Pflegeinrichtung ununterbrochen hätte betreut und gepflegt werden können (vgl. hierzu SG Karlsruhe, Urteil vom 29.03.2017, Az. S 14 P 4109/15).

An der in § 39 Abs. 1 S. 1 SGB XI vorausgesetzten „Notwendigkeit“ der Ersatzpflege wegen Verhinderung der Pflegeperson fehle es nämlich, wenn die pflegebedürftige Person in der fraglichen Zeit in eine Behinderteneinrichtung zurückkehren konnte, in der sie sonst auch betreut und gepflegt wird (BSG, Urteil vom 06.06.2002, Az. B 3 P 2/02 R), so das SG. Und zwar stelle die Unterbringung in dieser Einrichtung während der Verhinderung der Eltern dabei nicht ihrerseits als Form der Verhinderungspflege dar, weil die pflegebedürftige Person dort auch regulär gepflegt werde und die Pflegekasse für diese den Kostenbeitrag (§ 43a SGB XI) auch in den Ferienzeiten weiter bezahle

Kein Anspruch aus der Verletzung von Beratungspflichten

Es sei Sinn und Zweck der Regelung, die Pflege während einer Erholungsphase der Pflegeperson sicherzustellen. Denn den Pflegepersonen werde ein hohes Maß an psychischer und physischer Anstrengung abverlangt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll hingegen die Finanzierung eines Erholungsurlaubs der pflegebedürftigen Person nicht stattfinden. Nach Auffassung der Richter sprach gegen diese Einschätzung auch nicht, dass die Beklagte in der Vergangenheit die Anträge positiv beschieden hatte zumal eine schriftliche Zusicherung für eine entsprechende Leistung nämlich nicht abgegeben worden sei. Leistungen der Verhinderungspflege auch im betreuten Wohnen? Die Richter konnten ebenso wenig einen Anspruch aus der Verletzung von Beratungspflichten ableiten.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quellen: Pressemitteilung des SG Detmold v. 07.02.2019 und Juris das Rechtsportal

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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