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Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? Dazu hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 28.08.2023, 5 AZR 349/22, entschieden. Und zwar sei der Arbeitnehmer, sofern ihm aufgrund der betrieblichen Regelung bekannt ist, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren würde, verpflichtet, eine solche per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zur nehmen.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? Zu dieser Frage hat das Bundesarbeitsgericht mit dem Urteil vom 28.08.2023, 5 AZR 349/22, über folgenden Sachverhalt entschieden:

Der klagende Arbeitnehmer war seit dem 1. Januar 2003 bei der beklagten Arbeitgeberin, welche einen Rettungsdienst in Schleswig-Holstein führte, als Notfallsanitäter in Vollzeit beschäftigt. Für den 8. April und 15. September 2021 wurde dem klagenden Arbeitnehmer die ,,unkonkreten Springerdienste‘‘ zugewiesen, die der Arbeitgeber gemäß der Betriebsvereinbarung rechtzeitig im Voraus in ,,unkonkrete Tagesdienste‘‘  konkretisierte. Laut Betriebsvereinbarung können unkonkret zugeteilte Springerdienste für Tag- und Spätdienste bis 20 Uhr des Vortags vor Dienstbeginn weiter konkretisiert werden, wobei der Beginn des Tagesdienstes spätestens zwischen 6:00 – 9:00 Uhr ist. Der klagende Arbeitnehmer hatte am Tag vor Springerdiensten jeweils frei und die beklagte Arbeitgeberin versuchte vergeblich, ihn über den genauen Dienstbeginn zu informieren, schickte aber schließlich eine SMS.

Dennoch erschien der klagende Arbeitnehmer nicht pünktlich zum Dienst und zeigte um 7:30 Uhr seine Arbeitsbereitschaft telefonisch an. Am 08. April 2021 wurde der Kläger nicht mehr eingesetzt. Und zwar deshalb, weil sich bereits ein anderer Mitarbeiter in Rufbereitschaft befand und am 15. September erst nach seinem Erscheinen um 8:26 Uhr. Daraufhin erteilte die beklagte Arbeitgeberin dem klagenden Arbeitnehmer erst eine Ermahnung. Anschließend erteilte sie ihm eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens. Zudem zog die beklagte Arbeitgeberin dem klagenden Arbeitnehmer Stunden vom Arbeitskonto ab.

Vorinstanz

Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? Die Vorinstanzen, zuletzt das Landesarbeitsgericht Elmshorn mit Urteil vom 27. September 2021-      1 Sa 39 öD/22 – haben die Klage stattgegeben.

Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? Dazu das Bundesarbeitsgericht

Die Entscheidung

Die Revision der beklagten Arbeitgeberin hatte beim Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.  Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgericht Elmshorn vom 27. September 2022 – 1 Sa 39 öD/22 – auf.

Korrektur Arbeitszeitkonto

Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? An den Tagen vom 8. April und 15. September 2023 habe der klagende Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht wie erforderlich angeboten. Dies mit der Folge eines Abzugs von ca. dreizehn Stunden von dem Arbeitszeitskonto . Gemäß § 294 BGB sei die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anzubieten, so das BAG. Demnach müsse der Arbeitnehmer die Leistung am rechten Ort und zur rechten Uhrzeit anbieten. Die Beklagte hätte den Dienst wirksam konkretisiert. Daher habe der klagende Arbeitnehmer einen Arbeitsantritt um 6:00 bzw. 6:30 Uhr geschuldet.

Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? Keine erhebliche Beeinträchtigung durch Erfüllung der Vertragspflicht

Aus dem Vertragsverhältnis ergebe sich die Nebenpflicht des klagenden Arbeitnehmers, die Weisungen in Bezug auf den zugeteilten Dienst zur Kenntnis zur nehmen. Dieser Nebenpflicht müsse der Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit nachkommen. Denn ohne Erfüllung dieser Nebenpflicht könne der Arbeitnehmer der beklagten Arbeitgeberin den angestrebten Leistungserfolg nicht zukommen lassen. Und zwar bestehe der angestrebte Leistungserfolg darin, der beklagten Arbeitgeberin den Dienstantritt, wie zugewiesen, zukommen zu lassen, so das BAG. Weiterhin handele es sich bei der Kenntnisnahme der Weisung zum konkretisierten Dienst nicht um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne. Dies sei damit zu begründen, dass die Kenntnisnahme die Möglichkeit des klagenden Arbeitnehmers, seine Freizeit frei zu gestalten, nicht erheblich beeinträchtigt und somit auch nicht die Ruhezeit unterbreche. Der Arbeitnehmer könne nämlich frei wählen, zu welchem Zeitpunkt er die Weisung wahrnimmt. Somit würden die Erfüllung dieser Nebenpflicht nicht mit den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes kollidieren.

Keine Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? Der Kläger habe keinen Anspruch aus §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Entfernung der Abmahnung vom 30. September 2021 aus der Personalakte. Die Abmahnung sei nicht aus der Personalakte zu entfernen, weil sie korrekt erfolgt sei. Im Einzelnen zeige sie konkret auf, dass der klagende Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzte, indem er es versäumte, den Anweisungen der beklagten Arbeitgeberin zur Aufnahme der Dienste am 8. April und 15. September 2021 nachzukommen und die ihm zugewiesenen Dienste rechtzeitig anzutreten.  Die beklagte Arbeitgeberin habe ihn daher in der Abmahnung korrekt auf dieses Fehlverhalten hingewiesen. Weiterhin habe die beklagte Arbeitgeberin den klagenden Arbeitnehmer korrekt aufgefordert, sich zukünftig vertragstreu zu verhalten: Und für den Fall einer Wiederholung habe sie ihm ebenfalls korrekt individualrechtliche Konsequenzen angekündigt. Somit enthält die Abmahnung nicht nur pauschale Vorwürfe, sondern sei hinreichend bestimmt.

Quelle: Juris das Rechtsportal, 5 AZR 349/22 | BAG 5. Senat | Urteil | Direktionsrecht des Arbeitgebers – Annahmeverzugsvergütung – Schadensersatz wegen verspäteter …

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Pflicht zur Kenntnisnahme von Arbeitgebernachricht in der Freizeit? Dazu hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 28.08.2023, 5 AZR 349/22, entschieden. Fragen Sie den Anwalt für Arbeitsrecht in unserer Kanzlei