Kein Getrenntleben bei Bedarfsgemeinschaft? Dazu hat das OLG Karlsruhe am 11.12.2023, 16 WF 124/23, entschieden. Soweit Ehegatten, die innerhalb derselben Wohnung leben, als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II in Anspruch nehmen, ergebe sich daraus zumindest ein starkes Indiz gegen ein Getrenntleben der Ehegatten, so das OLG. Ein solches Indiz könne vom Antragsteller durch einen substanziierten Tatsachenvortrag widerlegt werden. Und zwar
- durch Vortrag, wonach die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht, oder
- wenn vom Jobcenter eine Bedarfsgemeinschaft trotz eines anderslautenden Antrags der Ehegatten angenommen würde oder
- wenn plausibel gemacht werden kann, dass die Ehegatten beim Jobcenter versehentlich falsche Angaben gemacht und diese nun korrigiert hätten.
Der darlegungs- und beweisbelastete Antragsteller habe dies jedoch nicht schlüssig dargetan, so das OLG.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Kein Getrenntleben bei Bedarfsgemeinschaft? Dazu hatte das OLG Karlsruhe über folgenden Sachverhalt entscheiden:
Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Ehescheidungsverfahren durch das Familiengericht Mannheim.
Der Antragsteller hatte Scheidung seiner mit der Antragsgegnerin geschlossenen Ehe beantragt. Dabei hatte er angegeben, mit dieser innerhalb der gemeinsamen Wohnung schon seit mindestens 10 Jahren voneinander getrennt zu leben. Er schlafe im Schlafzimmer, die Antragsgegnerin habe erst im Wohnzimmer geschlafen, später im Kinderzimmer. Es sei voneinander getrennt gegessen worden. Am 20.07.2023 sei die Antragsgegnerin aus der Wohnung ausgezogen.
Zu den im Zusammenhang mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen gehörte ein Bescheid des Jobcenters M. vom 13.06.2023. Danach werden dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt. Und zwar sei die Bewilligung für die Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus dem Antragsteller und der Antragsgegnerin, erfolgt.
Nach Angaben der Antragsgegnerin sei die Ehe seit mehreren Jahren zerrüttet, beide Beteiligten würden die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnen. Sie sei am 20.07.2023 wegen körperlicher Übergriffe aus der Wohnung geflüchtet.
Kein Getrenntleben bei Bedarfsgemeinschaft? Das Familiengericht Mannheim
Das Amtsgericht hat dies bejaht und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht des Scheidungsbegehrens abgelehnt. Und zwar lägen die Voraussetzungen einer Ehescheidung, namentlich ein Getrenntleben der Ehegatten seit mindestens einem Jahr, nicht vor. Es habe zum Zeitpunkt des letzten Bescheides des Jobcenters vom 13.06.2023 nämlich immer noch eine Bedarfsgemeinschaft zwischen den Beteiligten bestanden, was ein Getrenntleben ausschließe.
Und zwar sei eine Trennung vielmehr erst mit dem Auszug der Antragsgegnerin am 20.07.2023 anzunehmen.
Gegen diesen, Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Und zwar stelle das Bestehen der Bedarfsgemeinschaft kein Hindernis für die Scheidung der Ehe dar, so der Antragsteller. Zudem seien beide Beteiligten der Ansicht, dass innerhalb der Wohnung getrennt gelebt wurde.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
Kein Getrenntleben bei Bedarfsgemeinschaft? Dazu das OLG Karlsruhe
Die Entscheidung
Das OLG Karleruhe hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Begründung
Bedarfsgemeinschaft starkes Indiz gegen Getrenntleben
Kein Getrenntleben bei Bedarfsgemeinschaft? Soweit Ehegatten, die innerhalb derselben Wohnung leben, als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II in Anspruch nehmen, ergibt sich daraus zumindest ein starkes Indiz gegen ein Getrenntleben der Ehegatten. Es sei im Übrigen widersprüchlich, beim Jobcenter Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft mit dem in derselben Wohnung lebenden Ehegatten zu beantragen und zugleich gegenüber dem Familiengericht anzugeben, dass die Ehegatten im Rechtssinne getrennt leben, so das OLG.
Widerlegung des Indizes möglich
Ein solches Indiz gegen ein Getrenntleben könne vom Antragsteller durch einen substanziierten Tatsachenvortrag widerlegt werden. Und zwar sei eine Widerlegung möglich, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht (hierzu OLG Köln, Beschluss vom 21.03.2018 – 25 WF 43/18 –, juris). Weiterhin sei eine Widerlegung möglich, wenn vom Jobcenter eine Bedarfsgemeinschaft trotz eines anderslautenden Antrags der Ehegatten angenommen würde. Es sei zur Widerlegung auch plausibeler Vortrag möglich, dass die Ehegatten beim Jobcenter versehentlich falsche Angaben gemacht und diese nun korrigiert hätten.
Kein Getrenntleben bei Bedarfsgemeinschaft? Kein schlüssiger Vortrag zur Widerlegung
Und zwar sei nach diesen Maßstäben ein Getrenntleben für den Zeitraum vor dem 20.07.2023 vom darlegungs- und beweisbelasteteten Antragsteller, nicht schlüssig dargetan worden.
Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen ergebe sich nämlich, dass er noch am 06.06.2023 einen Antrag auf Leistungen nach SGB II für die Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau gestellt habe, den das Jobcenter am 13.06.2023 bewilligt habe. Und zwar habe der Antragsteller selbst also noch zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem Jobcenter erklärt, von der Antragsgegnerin nicht dauernd getrennt zu leben.
Weder Antragsteller noch Antragsgegnerin hätten substantiierten Vortrag angeboten, der die daraus resultierende Annahme des gemeinsamen Wirtschaftens der Eheleute in der Ehewohnung erschüttern könnte. Vielmehr hätte sich der Antragsteller darauf beschränkt, auf getrennte Betten und getrennte Mahlzeiten hinzuweisen. Dies allein begründet jedoch noch nicht die Annahme des Getrenntlebens. Vielmehr sei auch erforderlich, dass die Ehegatten keinerlei Versorgungsleistungen füreinander erbringen und nicht gemeinsam wirtschaften. Letzteres sei jedoch gerade aufgrund des gemeinsamen Bezugs von Sozialleistungen als Bedarfsgemeinschaft anzunehmen.
Auch die Aussage der Antragsgegnerin, dass sie die Ehe für „seit mehreren Jahren zerrüttet“ hält, sage nichts über das Getrenntleben im Rechtssinne. Ebenso wenig reiche für einen substantiierten Sachvortrag die Behauptung der Beteiligten aus, man lebe getrennt. Kein Getrenntleben bei Bedarfsgemeinschaft? Die Frage des Getrenntlebens sei eine Rechtsfrage. Es fehle an Tatsachenvortrag des Antragstellers, um die Voraussetzungen für ein Getrenntleben annehmen zu können.
Keine Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung
Daher habe die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung derzeit keine Erfolgsaussichten, so das OLG.
Quelle: Juris das Rechtsportal, 16 WF 124/23, OLG Karlsruhe Senat für Familiensachen, Beschluss
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