Stellungnahmeverbot für Pflegekammer zu deren Auflösung? Dazu hat das VG Hannover am 04.01.2020, 7 B 6300/20, entschieden. Und zwar muss die Pflegekammer Niedersachsen eine Stellungnahme vom 25.11.2020, die sie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens über ihre Abschaffung abgegeben hat, zurückziehen und die Veröffentlichung und Verbreitung dieser Stellungnahme unterlassen, so das VG. Die Erklärung im Rahmen der Anhörung zum „Gesetz zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen“ erfülle nämlich nicht die Anforderungen an Sachlichkeit und Objektivität. Die Pflegekammer Niedersachsen sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Und zwar sei Ihre Aufgabe u.a. die Wahrnehmung der beruflichen Belange von Pflegefachpersonen.
Was ist passiert?
Stellungnahmeverbot für Pflegekammer zu deren Auflösung? Der Sachverhalt
Im Zusammenhang mit der Gründung der Pflegekammer in Niedersachsen gab es zur Rechtmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 22.08.2019 – 8 LC 116/18, 8 LC 117/18). Anlässlich einer Online-Befragung unter den ca. 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer sprachen sich über 70% der Teilnehmer für die Abschaffung der Pflegekammer aus. An der Befragung nahmen ca. 15.100 Mitglieder teil.
Daraufhin hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen ein Gesetzgebungsverfahren zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen eingeleitet.
Im Rahmen der Anhörung zu dem Entwurf des „Gesetzes zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen“ sprach sich die Pflegekammer in ihrer Stellungnahme entschieden für ihren Erhalt aus. Diese Stellungnahme veröffentlichte die Pflegekammer auf ihrer Internetseite.
Stellungnahmeverbot für Pflegekammer zu deren Auflösung? Das Verfahren
Als Pflichtmitglied der Pflegekammer forderte die Antragstellerin die Pflegekammer auf, diese Stellungnahme von deren Homepage zu entfernen. Außerdem forderte die Antragstellerin die Pflegekammer auf, ihre Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren zurückzuziehen und sie nicht weiter zu verbreiten.
Allerdings lehnte die Pflegekammer dies ab, woraufhin die Antragstellerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtschutz beim VG Hannover stellte.
Stellungnahmeverbot für Pflegekammer zu deren Auflösung? Dazu das VG Hannover:
Die Entscheidung
Die Antragstellerin hatte im Eilverfahren vor dem VG Hannover Erfolg.
Das VG bemängelte, dass mehrere Äußerungen in der Stellungnahme den in der Rechtsprechung des OVG Lüneburg etablierten Maßstäben an eine Berufskammer mit Pflichtmitgliedschaft nicht gerecht würden. Dabei ginge es insbesondere um die Anforderungen an Objektivität und Sachlichkeit.
Stellungnahmeverbot für Pflegekammer zu deren Auflösung? Keine Abwägung widerstreitender Interessen
Durch das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft sei die Pflegekammer gehalten, ein Gesamtinteresse der Kammermitglieder vermitteln. Dazu müsse die Pflegekammer immer eine Abwägung widerstreitender Interessen vornehmen, die Minderheitsauffassung(en) offenlegen und die zur Mehrheitsauffassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen. Hingegen sei die streitgegenständliche Stellungnahme durch eine einseitige Darstellung und das Ausblenden von Gegenpositionen geprägt.
Und zwar nenne die Pflegekammer einseitig Argumente dafür, dass das Ergebnis der Online-Befragung nicht zur Grundlage der Entscheidung über ihre Auflösung gemacht werden solle. Und weiterhin suggeriere sie ohne sachliche Anhaltspunkte, dass die nicht an der Abstimmung beteiligten Mitglieder sich für ihren Fortbestand entscheiden würden.
Stellungnahmeverbot für Pflegekammer zu deren Auflösung? Schwerwiegende Rechtsverstöße
Die mit der Stellungnahme verbundenen Rechtsverstöße würden sich, so das VG, in dieser Konstellation als besonders schwerwiegend darstellen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Stellungnahme seitens der Antragsgegnerin am 25.11.2020 hätten bereits sowohl das VG Hannover als auch das OVG Lüneburg hinsichtlich einer zuvor veröffentlichten entsprechende Pressemitteilung der Antragsgegnerin im Eilverfahren unter anderem wegen fehlender Sachlichkeit deren Entfernung von der Homepage angeordnet. Außerdem sei die Stellungnahme ohne ausreichende Beteiligung der Kammerversammlung zustande gekommen. Dies sei ein Verstoß gegen maßgebliche Verfahrensvorschriften.
Quellen: Pressemitteilung des VG Hannover v. 06.01.2021 und Juris das Rechtsportal
Stellungnahmeverbot für Pflegekammer zu deren Auflösung?
Dazu siehe auch: https://raheinemann.de/pflichtmitgliedschaft-in-pflegekammer-niedersachsen-rechtmaessig/ und https://raheinemann.de/vereinbarung-einer-reservierungsgebuehr-fuer-pflegeheimplatz-wirksam/ und https://raheinemann.de/pflegeheime-zur-nutzung-von-bettgittern-oder-fixierung-verpflichtet/ und https://raheinemann.de/pflegeheimbetreiberin-nach-schliessung-des-heims-weiter-in-der-pflicht/ und https://raheinemann.de/steuerermaessigung-bei-unterbringung-der-mutter-im-pflegeheim/ und https://raheinemann.de/inhaber-von-ambulantem-pflegedienst-gewerbesteuerpflichtig/ und https://raheinemann.de/pflegeheimbetreiber-hat-nach-ansicht-des-bgh-keinen-entgeltanspruch-bei-vorzeitigem-heimwechsel-eines-pflegebeduerftigen-bewohners/ und https://raheinemann.de/pflegefachkraft-im-pflegeheim-regelmaessig-sozialversicherungspflichtig/ und https://raheinemann.de/schleswig-holsteinisches-oberlandesgericht-schadensersatz-bei-verbrennung-durch-heissen-tee-im-pflegeheim/ und https://raheinemann.de/lsg-essen-krankenkassen-duerfen-keine-risikokriterien-und-warnhinweise-fuer-pflegeheime-ins-internet-stellen/ und https://raheinemann.de/wer-ist-fuer-die-barbetragsverwaltung-des-pflegeheimbewohners-zustaendig/ und https://raheinemann.de/verguetung-fuer-leistungen-der-behandlungspflege-im-pflegeheim/ und https://raheinemann.de/haben-bewohner-von-demenz-wgs-anspruch-auf-behandlungspflege/