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Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Dazu hat der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 19.01.2022, Az. XII ZB 183/21,entschieden. Und zwar ist eine leibliche Mutter auch nach einer Adoption ihrem Kind grundsätzlich zur Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters verpflichtet, so der BGH.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Im Zusammenhang mit dieser Frage hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Eine im Jahr 1984 geborene Antragstellerin verlangte von ihrer leiblichen Mutter, der Antragsgegnerin, Auskunft über die Person des leiblichen Vaters. Die in problematischen Familienverhältnissen aufgewachsene Antragsgegnerin war bei der Geburt 16 Jahre alt und in der 7. Klasse der Hauptschule, die sie ohne Schulabschluss verliess. Die Schwangerschaft hatte die leibliche Mutter und Antragsgegnerin erst im siebten Monat bemerkt.

Mit ihrem leiblichen Kind, der Antragstellerin, wohnte die Antragsgegnerin zunächst in einem Mutter-Kind-Heim und später in einer Mädchen-Wohngemeinschaft. Dann wurde ihr leibliches Kind, die Antragstellerin, von einem Ehepaar adoptiert. Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren im Jahr 1995 blieb ebenso wie ein außergerichtlicher Vaterschaftstest mit einem weiteren Mann erfolglos.

Auf Vermittlung des Jugendamts kam es im Jahr 2003 zu einem Treffen zwischen Antragstellerin und ihrer leiblichen Mutter, der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin im März 2018 erfolglos aufgefordert, Namen und Anschrift des leiblichen Vaters zu benennen. Danach hat sie im gerichtlichen Verfahren diese Auskunft verlangt.

Die Vorinstanzen

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Das Amtsgericht Stuttgart hat dies verneint und mit Beschluss vom 30.10.2019, Az. 23 F 642/18, den entsprechenden Antrag zurückgewiesen. Der Antragsgegnerin sei die Auskunftserteilung unmöglich, so das Amtsgericht. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 30.03.2021, Az. 17 UF 52/20, auf die Beschwerde der Antragstellerin die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert. In diesem Zuge hat das OLG die Antragsgegnerin antragsgemäß verpflichtet, der Antragstellerin alle Männer mit vollständigem Namen und Adresse zu benennen, die der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt haben.

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Dazu der BGH:

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Der Auskunftsanspruch

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Und zwar sei § 1618a BGB Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Auskunftsanspruch. Danach sind Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig. § 1618a BGB sei dahin auszulegen, dass der Staat verfassungsrechtlich verpflichtet sei, der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen. Und zwar sei § 1618a BGB unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dahingehend auszulegen. Einen Auskunftsanspruch habe der Gesetzgeber nämlich nicht ausdrücklich normiert. Hier ginge es im Vergleich zum Anspruch des sog. Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Auskunft über die Identität des leiblichen Kindesvaters nämlich um mehr. Und zwar ginge es über die Durchsetzung finanzieller Interessen hinaus um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung.

Adoption steht dem Auskunftsanspruch nicht entgegen

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin aufgrund Adoption nicht mehr die rechtliche Mutter der Antragstellerin ist, so der BGH. Das Erlöschen des rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses wegen der Adoption der Antragstellerin (§ 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB) sei insoweit ohne Bedeutung. Das Auskunftsschuldverhältnis zwischen Kind und Mutter sei nämlich vor der Adoption entstanden. Andernfalls würde die Adoption hinsichtlich des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung gegenüber Kindern führen, deren rechtliche Eltern-Kind-Beziehung zu ihrer leiblichen Mutter fortbesteht.

Zudem habe die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt das grundsätzliche Bestehen des Auskunftsanspruchs der Antragsstellerin bestritten. Sie habe sich hinsichtlich ihres ebenfalls bestehenden Rechts auf Achtung ihrer Privat- und Intimsphäre auch nicht auf konkrete Belange berufen, aufgrund derer dann das Bestehen des Auskunftsanspruchs ggfs. zu verneinen wäre.

Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht unmöglich

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Nach der grundsätzlichen Bestätigung des Auskunftsanspruchs der Antragsstellerin habe die Antragsgegnerin jedenfalls mit der bloßen Mitteilung, sie könne sich an keinen möglichen Erzeuger erinnern, den Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Auch habe sie nicht die Unmöglichkeit der Erfüllung nach Einholung der ihr zumutbaren Erkundigungen dargelegt. Und zwar habe das Oberlandesgericht mögliche Kontaktpersonen aufgelistet. An diese könne sich die Antragsgegnerin wenden zur Erlangung von Hinweisen zu potenziellen leiblichen Vätern der Antragstellerin. Und zwar würde es diesen Nachfragemöglichkeiten nicht an der Erfolgsaussicht fehlen. Sie seien der Antragsgegnerin auch nicht unzumutbar.

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/pressemitteilungen2022_node.html

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Siehe auch:

Welcher Abstammung ist ein Kind von ukrainischer Leihmutter?

„Stiefkindadoption“ zulässig?

Kein Elterngeld bei vorzeitiger Rückgabe des Pflegekindes?

Wandel von Kindesmutter zu Kindesvater möglich?

Zum Erbrecht nichtehelicher Kinder

Stiefkindadoption bei unverheirateten Paaren?

Elterninteressen bei Adoption Erwachsener relevant?

Freiheitsstrafe wegen Misshandlung von Pflegekind

Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Dazu hat der  BGH mit Beschluss vom 19.01.2022, Az. XII ZB 183/21,entschieden.

Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Auskunftsanspruch gegen leibliche Mutter trotz Adoption? Dazu hat der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 19.01.2022, Az. XII ZB 183/21,entschieden.