Verletzung von Anwaltspflichten bei Scheidung online? Dazu hat das LG Berlin am 05.06.2014, Az.: 14 O 395/13, entschieden. Allein das Ausfüllen eines „Online-Scheidungsformulars“ entbindet Rechtsanwälte nicht von ihrer Beratungspflicht, wenn die vertretene Partei Beratungsbedarf erkennen lässt, so das LG Berlin.
Was ist passiert?
Die beklagte Anwaltskanzlei wirbt im Internet unter der Überschrift „Scheidung Online“ damit, dass eine bundesweite Ehescheidung ohne Anwaltsbesuch zu den geringstmöglichen Kosten von Fachanwälten durchgeführt werden kann. Die Klägerin benutzte das auf der Homepage zur Verfügung gestellte Online-Formular. Und sie gab darin u.a. die Option des wechselseitien Verzichts auf Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich an. Die Parteien schlossen einen dementsprechenden Vergleich.
Verletzung von Anwaltspflichten bei Scheidung online? Dazu das LG Berlin:
Die Entscheidung
Dazu hat das LG Berlin am 05.06.2014, Az.: 14 O 395/13, entschieden. Und zwar entbindet allein das Ausfüllen eines „Online-Scheidungsformulars“ Rechtsanwälte nicht von ihrer Beratungspflicht, wenn die vertretene Partei Beratungsbedarf erkennen lässt, so das LG Berlin.
Verpflichtung zu umfassender Interessenwahrnehmung
Verletzung von Anwaltspflichten bei Scheidung online? Aufgrund des Anwaltsvertrages ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen, so das LG Berlin. Und zwar muss er muss sein Verhalten so einrichten, dass er Schädigungen des Auftraggebers, auch wenn dies nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden kann, vermeidet. Dabei richten sich die konkreten Pflichten nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Einzelfalles. Zur Erreichung des angestrebten Erfogs muss der Rechtsanwalt bei der Vertretung der Interessen seines Mandanten den sichersten und zweckmäßigsten Weg wählen (BGH NJW 1988, 486, 487).
Vorschlag des sichersten und gefahrlosesten Weges – eingeschränkte Prüfungspflicht?
Sollte der Mandant nicht eindeutig zu erkennen geben, dass er des Rats nur in einer bestimmten Richtung bedarf, gilt folgendes. Und zwar ist der Rechtsanwalt dann zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er dabei über die Folgen der Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er den Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu den erstrebten Zielen zu führen geeignet sind. Dabei hat er Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist.
Verletzung von Anwaltspflichten bei Scheidung online? Und zwar berührt der Wunsch des Mandanten, schnell geschieden zu werden, nicht die anwaltlichen Beratungspflichten wegen der Scheidungsfolgen. Dies auch, auch wenn der Mandant insoweit mit festen Vorstellungen an den Rechtsanwalt herantritt. Soweit der Anwalt nur einen eingeschränkten Auftrag erhält, beschränkt sich die Verpflichtung des Anwalts, den Sachverhalt umfassend und erschöpfend aufzuklären, auf diese eingeschränkte Prüfungspflicht nicht mehr.
Was lernen wir daraus?
Grundsätzlich umfassende Beratungspflicht
Verletzung von Anwaltspflichten bei Scheidung online? Das Urteil des LG Berlin verdient Zustimmung. In seiner Entscheidung stellt das LG Berlin richtig fest, dass das Angebot einer schnellen und unkomplizierten und billigen Scheidung sich nicht mit den Pflichten des Anwalts verträgt. Insbesondere insoweit nicht, als er den Mandanten umfassend zu beraten hat. Der Anwalt habe sein Verhalten nicht so eingerichtet, dass er Schädigungen des Auftraggebers vermeidet. Auch wenn dies nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden kann.
Verletzung der Beratungspflicht im konkreten Fall
Verletzung von Anwaltspflichten bei Scheidung online? Im konkreten Einzelfall habe er seine Beratungspflichten nach dem erteilten Mandat verletzt und sei deshalb der Beklagten wegen Verletzung des Anwaltsvertrages zum Schadensersatz verpflichtet, §§ 675, 611, 280, 276 BGB.ff..
Quellen: Juris das Rechtsportal; BRAK, Nachrichten aus Berlin 14/2014 v. 10.10.2014
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