Scheidung einer in Afghanistan geschlossene Handschuh-Ehe in Deutschland? Dazu hat das OLG Frankfurt/Main am 04.04.2024, Az. 6 UF 204/23, entschieden. Und zwar widerspreche eine in Afganistan in Abwesenheit eines Ehepartners in Form einer sogenannten Handschuh-Ehe geschlossene Ehe nicht dem ordre public wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wille der Eheschliessung über eine Stellvertretung nicht gedeckt war. Eine solche Ehe, sei nicht aufzuheben. Vielmehr sei die Ehe im vorliegenden Fall entsprechend des gestellten Hilfsantrags zu scheiden.
Was ist passiert?
Der Sachverhalt
Scheidung einer in Afghanistan geschlossenen Handschuh-Ehe in Deutschland? Zu dieser Frage hatte das OLG Frankfurt/Mail über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die beiden beteiligten afghanischen Staatsangehörige, haben im Januar 2022 in Afghanistan die Ehe in Form einer sog. Handschuh-Ehe geschlossen. Und zwar war nur die Antragsgegnerin, nicht aber der Antragsteller, der seit 2015 in Deutschland lebte, bei der Eheschließung anwesend. Seit der Verlobungsfeier 2019 telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden Videotelefonate statt. Im August 2022 flüchtete die Antragsgegnerin nach Deutschland und traf dort erstmals auf ihren Mann. Die Beteiligten hielten sich etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten auf. Aufgrund einer dann erfolgten Selbstmeldung und ihrer eigenen Alterseinschätzung wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche in Obhut genommen.
Der Antragsteller beantragt die Aufhebung der in Afghanistan geschlossen Ehe, hilfsweise die Scheidung. Er behauptet, die Antragsgegnerin habe nur zum Erhalt eines Visums für die Einreise nach Deutschland mit ihm die Ehe geschlossen.
Die Vorinstanz
Scheidung einer in Afghanistan geschlossenen Handschuh-Ehe in Deutschland? Das Amtsgericht hat den Antrag auf Aufhebung der Ehe zurückgewiesen und auf den Hilfsantrag hin die Ehe der Beteiligten geschieden. Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsteller weiterhin die Aufhebung der Ehe.
Scheidung einer in Afghanistan geschlossenen Handschuh-Ehe in Deutschland? Dazu das OLG Frankfurt/Main
Die Entscheidung
Diese Beschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Der zuständige Familiensenat bestätigte die Ansicht des Amtsgerichts, dass kein Aufhebungsgrund für die in Afghanistan geschlossene sog. Handschuhehe vorliege.
Zuständigkeit und anwendbares Recht
Zunächst sei das Oberlandesgericht Frankfurt (und zuvor auch das Amtsgericht Darmstadt) für die beantragte Entscheidung international zuständig, so das OLG. Und zwar folge die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vorliegend aus Art. 3 der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Brüssel IIb). Dies aus dem Grund, weil beide Ehegatten im Zeitraum zwischen Zustellung des Scheidungsantrages und letzter mündlicher Verhandlung zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten.
Scheidung einer in Afghanistan geschlossenen Handschuh-Ehe in Deutschland? Unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Ehegatten sei die Anwendbarkeit deutschen Rechts gemäß Art. 4, 18 Absatz 1 Satz 1 Rom III-VO gegeben, wenn die Ehegatten keine Rechtswahl nach Artikel 5 bis 7 Rom III-VO getroffen und beide Ehegatten im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten. Und zwar gelte dies unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Ehegatten. Jedoch gelte die Rom III-VO , wie sich aus Art. 1 Abs. 1, Abs. 2b, c Rom III-VO ergebe, nicht für die Beseitigung der Ehe aufgrund von Fehlern oder Hindernissen bei deren Eingehung. Bezüglich der Aufhebung der Ehe sei nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB afghanisches Recht anwendbar. Und zwar sei die Anwendbarkeit afganischen Rechts dann deshalb gegeben, weil die Scheidung eine wirksame Ehe als Vorbedingung voraussetze, während die Mängel der Eheschließung nach dem Eheschließungsstatut zu beurteilen seien.
Keine Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin
Weiterhin sei dem Amtsgericht Recht zu geben, wenn es keinen Verstoß gegen Art. 6 EGBGB im Hinblick auf das durch Art. 13 Abs. 3 EGBGB vorgeschriebene Mindestalter für eine Eheschließung erkannt hat, so das OLG. Und zwar bestünden aufgrund der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse keine vernünftigen Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung. Dabei komme dem in Kopie vorliegenden afghanischen Reisepass der Antragsgegnerin eine erhöhte Beweiswirkung zu. Weder durch die widersprüchlichen Erklärungen der Antragsgegnerin noch durch das vom Personenstandsregisteramt ausgestellte Identitätsdokument, sei diese Beweiswirkung in Zweifel gezogen worden.
Scheidung einer in Afghanistan geschlossenen Handschuh-Ehe in Deutschland? Eheschließung hat dem Willen der Eheleute entsprochen
„Der Anerkennung der in Afghanistan unstreitig als Handschuhehe geschlossenen Ehe im Inland steht … der deutsche ordre public nicht entgegen“, so das OLG. Und zwar mache keiner der Beteiligten geltend, dass die Eheschließung nicht dem Willen der Eheleute entsprochen habe. Daher fehle es an Anhaltspunkten, der Stellvertreterehe unter Berufung auf Art. 6 EGBGB die Wirksamkeit zu versagen.
Ehe wegen fehlenden Aufhebungsgrund zu Recht geschieden
Nach Ansicht des OLG liegt ein auch ein Aufhebungsgrund nach afghanischem Recht nicht vor. Insbesondere sei dazu die Nichterfüllung einer Bedingung zu zählen. Und zwar habe schon der Antragsteller nicht vorgetragen, dass das spätere Zusammenleben in Deutschland eine derartige Bedingung gewesen sei. Unstreitig hätten die Beteiligten nicht über die konkrete Ausgestaltung der Ehe gesprochen. Zudem habe der Antragsteller ausreichende Erkenntnisquellen gehabt, um eine etwaig andere Motivation der Antragsgegnerin in Erfahrung zu bringen.
Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass sich der Wunsch der Antragsgegnerin, allein zu leben, erst im Lauf der allein bewältigten Flucht nach Deutschland gebildet habe. Auch liege der Aufhebungsgrund des Betrugs in Form der Täuschung über einen körperlichen oder geistigen Mangel nicht vor. Ist eine in Afghanistan geschlossene Handschuh-Ehe in Deutschland wirksam? Und zwar habe das Amtsgericht insoweit mangels Bestehen eines Aufhebungsgrundes die Ehe auf den Hilfsantrag hin zu Recht geschieden.
Quellen: © kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.05.2024; Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab); Juris das Rechtsportal zu 6 UF 204/23
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