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Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Dazu hat der für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 09.05.2023 entschieden. Und zwar könne eine Zinszahlungspflicht nur den Darlehensnehmer, nicht aber den Darlehensgeber eine treffen, so der BGH.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (Beklagte) schloss das klagende Land (Kläger) im März 2007 einen als „Darlehen“ bezeichneten Vertrag, dessen Konditionen von dem Kläger vorgegeben wurden. Und zwar stellte der Kläger der Beklagten nach Überweisung der „Darlehenssumme“ fünf gleichlautende Schuldscheine über jeweils 20.000.000 € aus. Auszugsweise heißt es dort:

„[Der Kläger] (Darlehensschuldner) schuldet [der Beklagten] (Darlehensgläubiger) EUR 20.000.000 […]“

eingeleitet und beinhalten im Anschluss u.a. folgende Angaben:

„1. Das Darlehen ist, […], bis zum Ablauf des der vereinbarten Fälligkeit des Kapitals vorhergehenden Tages, wie folgt jährlich zu verzinsen:

Nominalzins3-Monats-EURIBOR+0,1175%

Höchstsatz5,00%

[…]

3. Das Darlehen in Höhe des Nennbetrags ist zur Rückzahlung fällig am 08.03.2017.

[…]

6. Die Abtretung der Darlehensforderung ist nur im Ganzen zulässig. […]

In jedem Fall wird der Darlehensschuldner Zins- und Tilgungsleistungen nur auf ein Konto des Darlehensgläubigers in der Bundesrepublik Deutschland überweisen.“

Ab März 2016 errechnete sich unter Anwendung der Zinsformel nach Ziffer 1 ein negativer Wert, der bis zum Laufzeitende einen Betrag in Höhe von 158.159,75 € ergab.

Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Und zwar vertritt der Kläger die Auffassung, dass ihm die Beklagte ab dem Zeitpunkt, zu dem der Zinsaufschlag („0,1175%“) betragsmäßig hinter dem negativen Referenzzinssatz („3- Monats-EURIBOR“) zurückgeblieben war, die Zahlung von „Negativzinsen“ schulde. In den Schuldscheinen sei zwar eine Zinsobergrenze („5,00%“), aber keine Zinsuntergrenze vereinbart worden, so der Kläger.

Er begehrt mit seiner Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 158.159,75 € nebst Verzugszinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Vorinstanzen

Mit Ausnahme einer Nebenforderung hat das Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 11.03.2020, Az. 13 O 322/18, der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf als Berufungsgericht hat mit Urteil vom 01.12.2021, Az 14 U 78/20, die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Und zwar begehrt der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Dazu der BGH:

Die Entscheidung

XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 09.05.2023 die Revision zurückgewiesen.

Keine ausdrückliche Festlegung einer Zinsuntergrenze notwendig

Bei einer vor dem Hintergrund des § 488 Abs. 1 BGB getroffenen Zinsabrede, nach der eine Änderung des in Bezug genommenen Referenzzinssatzes zu einer automatischen Veränderung des Vertragszinses in dem durch einen Zinsaufschlag und eine Zinsobergrenze vorgegebenen Umfang führt bedürfe es keiner ausdrücklichen Festlegung einer Zinsuntergrenze zur Begrenzung oder Ausschluss einer Verpflichtung des Darlehensgebers zur Zahlung von nominal negativen „Zinsen“ an den Darlehensnehmer bei einem Absinken des Referenzzinssatzes einschließlich des Zinsaufschlags unter null.

Die Vorschrift des § 488 Abs. 1 BGB hat folgenden Wortlaut:

§ 488 Abs. 1 BGB

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.“

Nach der Definition von Zins im Rechtssinne könne ein Zins als Entgelt nicht negativ werden. Und zwar sei danach Zins das zeitabhängig zu berechnende Entgelt für die Möglichkeit des Gebrauchs von zeitweilig überlassenem Kapital.

Danach sei dem Zins eine definitorische Untergrenze bei 0% immanent. Und zwar lasse sich damit eine Umkehrung des Zahlungsstroms von dem Darlehensgeber an den Darlehensnehmer damit nicht vereinbaren.

Auslegung der Zinsklausel

Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Der BGH vertritt diese Auffassung. Und zwar sei die Zinsklausel in Ziffer 1. der Schuldscheine unter Zugrundelegung der hier anwendbaren AGB-rechtlichen Auslegungsgrundsätze im Einklang mit dem gesetzlichen Leitbild von § 488 Abs. 1 BGB dahin auszulegen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung der rechnerisch ermittelten „Negativzinsen“ verpflichtet ist.

Dies folge aus der Zusammenschau von Ziffer 1 mit der mit ihr inhaltlich zu einer Einheit verbundenen Einleitung und der Ziffer 6.

Unterbliebene Vereinbarung einer Zinsuntergrenze unschädlich

Auch aus dem Umstand, dass die Zinsklausel im Unterschied zu der Zinsobergrenze keine ausdrückliche Zinsuntergrenze enthält, ergebe sich nichts anderes. Und zwar beruhe die unterbliebene ausdrückliche Vereinbarung einer Zinsuntergrenze, dass die Parteien bei Vertragsschluss entweder davon ausgegangen sind, dass der variable Zins nach der von ihnen vereinbarten Zinsformel aufgrund der zu erwartenden Marktentwicklung nicht negativ werden könne. Oder die Parteien seien aufgrund des Leitbilds und der vertragstypischen Pflichten eines Darlehensvertrages davon ausgegangen, dass ohnehin nur den Darlehensnehmer, nicht aber den Darlehensgeber eine Zinszahlungspflicht treffen könne.

Wertigkeit von Leistung und Gegenleistung können nicht neu bestimmt werden

Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Im Rahmen der Vertragsauslegung könne das Äquivalenzprinzip nicht dazu herangezogen werden, um die Wertigkeit von Leistung und Gegenleistung neu zu bestimmen, so der BGH. Und zwar sei daher ohne Belang, ob die Bank bei sukzessivem Absinken des Referenzzinssatzes einschließlich des Zinsaufschlags unter null ihre Gewinn- oder Refinanzierungsmarge ausweiten könnte.

Aus der objektiven Sicht der Parteien entspreche diese Auslegung der Zinsklausel auch dem Verständnis redlicher und verständiger Vertragspartner. Und zwar in ihrer Eigenschaft als professionelle Marktteilnehmer.

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/2023078.html?nn=10690868

Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Siehe auch:

Kontoführungsgebühren für Bauspardarlehen zulässig? und Gebühr für Geldabheben am Bankschalter? und Prämiensparverträge wirksam gekündigt? und Gebühr für vorzeitige Kreditrückzahlung unzulässig? und BKartA zu Fremdabhebegebühren bei Geldautomaten und Risikoprämie und Bearbeitungsgebühr bei Förderdarlehen (KfW-Darlehen) zulässig und Anspruch des Unternehmers auf Erstattung Bearbeitungsgebühr? und Bankbearbeitungsgebühr für Anschaffungsdarlehen unzulässig und Pauschale „Kontogebühr“ für Bausparverträge in der Darlehensphase zulässig und Erhöhung der Kontoführungsgebühren ohne Zustimmung? und Münzgeldklausel in Banken – AGB unwirksam? und Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen wirksam? und Kündigung eines Prämiensparvertrages möglich? und Auskunftspflicht der Bank zu Sparbuch von 1959?

Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Dazu hat der für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 09.05.2023 entschieden.

Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Darlehensgeber bei Negativzins nicht in der Zinszahlungspflicht? Dazu hat der für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 09.05.2023 entschieden.