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Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Am 23.10.2019 hat das ArbG Bonn – Az. 5 Ca 1201/19 – entschieden, dass kein Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bei rechtsmissbräuchlicher Bewerbung besteht.

Und zwar die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs eines Bewerbers dann rechtsmissbräuchlich, wenn er sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern zu dem Zweck, den Status eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen

Was ist passiert?

Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Der Sachverhalt

Die Beklagte hatte eine Stelle „Fachanleiter aus den Bereichen Küche/Hauswirtschaft/Nähen“ ausgeschrieben. Auf diese Stellenanzeige bewarb sich der Kläger. Dabei wies er darauf hin, dass er Rentner sei und ein Gehaltsangebot auf Vollzeitbasis erwarte, der Ausbildungsbereich Nähen von ihm nicht erbracht werden könne und er ein vom Arbeitgeber gestelltes Appartement in nächster Betriebsnähe benötige.

Der Kläger wurde von der Beklagten nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Beklagte teilte dem Kläger vielmehr mit, dass er nicht in die engere Auswahl einbezogen werde.

Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Die Klageforderung

Daraufhin verklagte der Kläger die Beklagte beim ArbG Bonn auf eine Entschädigungszahlung i.H.v. 11.084,58 Euro wegen Altersdiskriminierung.

Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Dazu das ArbG Bonn

Die Entscheidung

Das ArbG Bonn hat die Klage abgewiesen. Und zwar habe der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG.

Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Kein Verstoß gegen Benachteiligungsverbot

Kläger als Stellenbewerber gelte zwar gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG als Beschäftigter iSd. AGG. Der Beklagte hat jedoch nicht – was Voraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG wäre – gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen.

Der Kläger habe keine Indizien für eine Diskriminierung wegen Alters dargelegt. Es würden keine Indizien iSv. § 22 AGG vorliegen, die den Schluss zuliessen, dass zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem Alter des Klägers der erforderliche Kausalzusammenhang bestand.

Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Rechtsmissbräuchliches Verhalten

Selbst wenn eine Benachteiligung wegen des Alters vorliegen würde, hätte der Kläger keinen Entschädigungsanspruch gegen den Beklagten aus § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG. Das Verhalten des Klägers sei nämlich rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Er habe sich bei der Beklagten nämlich nur mit dem Ziel, eine Entschädigung zu erlangen, beworben. Es sei ihm nicht darum gegangen die ausgeschriebene Stelle zu bekommen.

Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Die Indizien

Eine Vielzahl objektiver Indizien in dem Bewerbungsanschreiben sprächen dafür, dass es dem Kläger nur um einen Entschädigungsanspruch gegangen sei:

Das Bewerbungsanschreiben enthalte keinerlei Ausführungen zu der Qualifikation des Klägers.

Das Bewerbungsanschreiben enthalte keinerlei Ausführungen zu seiner Motivation für seine Bewerbung.

Mit seiner Forderung eines vom Arbeitgeber gestellten, in nächster Betriebsnähe gelegenen Appartements habe der Kläger eine Absage provozieren wollen.

Weiter verstärkt habe der Kläger den Eindruck der der Rechtsmissbräuchlichkeit seiner Bewerbung durch seine Ausführungen zu den – aus seiner Sicht überhöhten – Anforderungen der Beklagten an einen Bewerber in dem Verfahren.

Quellen: Pressemitteilung des ArbG Bonn Nr. 3/2019 v. 08.11.2019 und Juris das Rechtsportal

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Entschädigung nach AGG auch bei Rechtsmissbrauch? Am 23.10.2019 hat das ArbG Bonn – Az. 5 Ca 1201/19 – dazu entschieden. Fragen Sie den Anwalt für Arbeitsrecht in unserer Kanzlei