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Ansprüche weg bei Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung? Dazu hat das BAG mit Urteil vom 07.11.2007, Az. 5 AZR 880/06, entschieden. Und zwar verbiete sich regelmäßig die Annahme, der Gläubiger (hier: klagender Arbeitnehmer) habe sein Recht bei Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung im Wege des negativen Schuldanerkenntnisses einfach wieder aufgegeben, wenn feststeht, dass eine Forderung entstanden ist, so das BAG. Ein Erlass liege im Zweifel nicht vor. Für eine endgültige Abrechnung und Abgeltung sämtlicher Ansprüche bedürfe es jedenfalls einer klaren und deutlichen individualvertraglichen Formulierung, dass keine Ansprüche mehr bestehen sollen.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt

Ansprüche weg bei Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung? Im Zusammenhang mit dieser Frage dieser Frage hatte das BAG über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Die Parteien stritten um restliche Vergütungsansprüche.

Der klagende Arbeitnehmer hatte nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit anwaltlicher Hilfe ausstehenden Lohn von ca. € 870 geltend gemacht. Daraufhin fand ein Treffen zwischen den Parteien in den Geschäftsräumen des beklagten Arbeitgebers statt. Dabei hat der klagende Arbeitnehmer eine Zahlung von € 145,00 erhalten. Zudem bestätigte der klagende Arbeitnehmer in einer Ausgleichsquittung den Erhalt verschiedener Papiere und erklärte in derselben Urkunde: „Damit sind alle Ansprüche … abgegolten“.

Der Kläger machte € 725 noch ausstehenden Lohn geltend.

Die Vorinstanzen:

Ansprüche weg bei Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung? Das ArbG Ludwigshafen und das LArbG Rheinland-Pfalz bejahten dies im vorliegenden Fall und hatten die Klage abgewiesen. Und zwar habe der klagende Arbeitnehmer eine Ausgleichsquittung unterschrieben und erklärt, dass weitere Ansprüche gegen die beklagte Arbeitgeberin nicht mehr bestünden.

Ansprüche weg bei Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung – was sagt das BAG dazu?

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat dem klagenden Arbeitnehmer grundsätzlich Recht zugesprochen. Die Erklärung des Klägers habe nicht den Ausschluss noch bestehender Ansprüche zur Folge gehabt. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und hat das BAG die Sache für nunmehr erforderliche Feststellungen und zur Entscheidung über die Klageforderung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Kein Ausschluss noch bestehender Ansprüche

Zur Begründung hat das BAG auszugsweise wie folgt ausgeführt.

Die Erklärung des klagenden Arbeitnehmers habe nicht den Ausschluss noch bestehender Ansprüche zur Folge gehabt. Eine solche Folge könne sich nur aus einem Erlassvertrag oder einem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis ergeben. Ob ein solcher Verzicht gewollt sei, sei aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung der Interessenlage zu beurteilen. An den Verzichtswillen seien dabei hohe Anforderungen zu stellen. Regelmäßig sei nämlich nicht davon auszugehen, dass ein Gläubiger grundlos einen entstandenen Anspruch wieder aufgebe.

Vorliegend sei für den beklagten Arbeitgeber erkennbar gewesen, dass der klagende Arbeitnehmer nicht das geringste Interesse an einem Verzicht auf den Großteil seiner Forderung gehabt habe, zumal auch keinerlei Gegenleistung erbracht worden sei. Wenn gleichwohl dem klagende Arbeitnehmer das vorbereitete Formular vorgelegt worden sei, so konnte und durfte der beklagte ehemalige Arbeitgeber nicht davon ausgehen, der Kläger habe damit alle seine Ansprüche zum Erlöschen bringen wollen. Nach den unstreitigen sowie den von der Beklagten vorgetragenen Umständen der Erklärung habe für die Beklagte kein Anhaltspunkt dafür bestanden, dass der Kläger auf Ansprüche verzichten wolle. Es habe sich um ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis gehandelt. Dieses hindere die weitere Geltendmachung der Ansprüche nicht.

Das BAG hat den Rechtsstreit dementsprechend für die nunmehr erforderlichen Feststellungen und zur Entscheidung über die Klageforderungen an das LArbG zurückverwiesen.

Anmerkung:

Ansprüche weg bei Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung? Einseitige Ausgleichsquittungen, die zugleich mit der Bestätigung des Erhalts von Arbeitspapieren erteilt werden, hat die Rspr. in den überwiegenden Fällen regelmäßig als unwirksam erachtet. Auch Klauseln, die klarer als die vorliegende gefasst sind und sich als Verzicht oder konstitutives negatives Schuldanerkenntnis werten lassen, werden regelmäßig als überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil von Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Sollte eine überraschende Klausel in diesem Sinne nicht gegeben sein, so sind die Klauseln auch noch anhand von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB auf eine verbotene unangemessene Benachteiligung zu prüfen. Diese Prüfung führt nach der Rspr. jedenfalls dann zur Unwirksamkeit, wenn der Arbeitnehmer für seinen Verzicht keine Gegenleistung erhält.
Mit seiner Entscheidung hat das BAG verdeutlicht, dass es für eine endgültige Abrechnung und Abgeltung sämtlicher Ansprüche einer klaren und deutlichen Formulierung, dass keine Ansprüche mehr bestehen sollen, bedarf.

Der Arbeitgeber ist daher gut beraten, sich entsprechend zu verhalten und auf eine gesonderte und eindeutig formulierte Ausgleichsquittung hinzuwirken. Ein Arbeitnehmer, der eine unwirksame Ausgleichsquittung unterzeichnet hat, geht nicht ohne Weiteres seiner Ansprüche verlustig.

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

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