Können Kettenbefristungen zulässig sein? Dazu hat der Europäische Gerichtshof am 26. Januar 2012, Aktenzeichen C-586/10, entschieden. So genannte Kettenbefristungen können zulässig sein, so der EuGH. Insoweit dürfen Arbeitgeber unter Umständen wiederholt befristete Arbeitsverträge anbieten. Dafür muss allerdings ein sachlicher Grund vorliegen.
Was ist passiert?
Der zugrundeliegende Sachverhalt
Die klagende Arbeitnehmerin war über einen Zeitraum von 11 Jahren als Justizangestellte beim Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage von insgesamt dreizehn befristeten Arbeitsverträgen tätig. Und zwar wurden die einzelnen befristeten Arbeitsverträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter Justizangestellter, die sich z.B. in der Elternzeit befanden, geschlossen.
Gegen den dreizehnten befristeten Arbeitsvertrag wandte sich die klagende Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht Köln. Und zwar mit der Begründung, dass für eine weitere Befristung kein sachlicher Grund vorläge. Bei der Vielzahl an befristeten Arbeitsverträgen über einen Zeitraum von dreizehn Jahren könne man nicht mehr von einem vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften ausgehen.
Vorlagefragen an den EuGH
Können Kettenbefristungen zulässig sein? Das Bundesarbeitsgericht, dass nun in letzter Instanz über die Klage zu entscheiden hat, rief den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts mit folgenden Fragen an:
Aufgrund dieser Erwägungen hat das Bundesarbeitsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Verstößt es gegen Paragraf 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung über befristete Verträge, eine nationale Bestimmung, die wie § 14 Abs 1 Nr. 3 TzBfG vorsieht, dass ein sachlicher Grund zur wiederholten Befristung eines Arbeitsvertrags vorliegt, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, dahin auszulegen und anzuwenden, dass der sachliche Grund auch im Fall eines ständigen Vertretungsbedarfs gegeben ist, obwohl der Vertretungsbedarf auch gedeckt werden könnte, wenn der betreffende Arbeitnehmer unbefristet eingestellt und ihm die jeweilige Vertretung eines der regelmäßig ausfallenden Arbeitnehmer übertragen würde, der Arbeitgeber sich aber vorbehält, jeweils neu zu entscheiden, wie er auf den konkreten Ausfall von Arbeitnehmern reagiert?
2. Im Fall der Bejahung von Frage 1: Verstößt die in Frage 1 beschriebene Auslegung und Anwendung einer nationalen Bestimmung wie derjenigen des § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen auch dann gegen Paragraf 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung über befristete Verträge, wenn der nationale Gesetzgeber mit dem in einer nationalen Bestimmung wie derjenigen des § 21 Abs. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit in geänderter Fassung geregelten, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigenden Sachgrund der Vertretung jedenfalls auch das sozialpolitische Ziel verfolgt, Arbeitgebern die Bewilligung sowie Arbeitnehmern die Inanspruchnahme von Sonderurlaub, etwa aus Gründen des Mutterschutzes oder der Erziehung, zu erleichtern?
Können Kettenbefristungen zulässig sein? Dazu der EuGH:
Nach Ansicht des EuGH kann die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge auch dann durch einen Vertretungsbedarf gerechtfertigt sein, wenn sich dieser als wiederkehrend oder sogar ständig erweise. Zwar könne ein Arbeitsgeber gezwungen sein kann, wiederholt oder sogar dauerhaft auf das Instrument befristeter Verträge zurückzugreifen. Dieser Umstand rechtfertige aber nicht die Annahme, dass es keinen sachlichen Grund gäbe oder gar das Vorliegen eines Missbrauchs.
Können Kettenbefristungen zulässig sein? Allerdings stellte der EuGH klar, dass die nationalen Behörden gehalten sind, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Und zwar einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in Vergangenheit mit einem Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge.
Was lernen wir daraus?
Zunächst bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht die Auslegung des EuGH in dem vorliegenden Fall berücksichtigt. Grundsätzlich hat die Auslegung des EuGH die im Berufsalltag gängige Praxis der sog. „Kettenverträge“ bestätigt. Ob dies zur Ausweitung der Kettenverträge führen wird bleibt abzuwarten. Die Missbrauchskontrolle obliegt den nationalen Behörden.
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Quelle: Juris das Rechtsportal
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