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Arbeitgeber zur Herstellung von Waffengleichheit verpflichtet? Dazu hat das LArbG Hamm, Urt. v. 09. Juni 2011, – 15 Sa 410/11 -, entschieden. Und zwar muss ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer bei Gesprächen zu einem Aufhebungsvertrag unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit ohne die Aufforderung des betroffenen Arbeitnehmers nicht die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ermöglichen.

Was war passiert?

Der Sachverhalt

Arbeitgeber zur Herstellung von Waffengleichheit verpflichtet? Zu dieser Frage hatte das LArbG Hamm über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Die klagende Arbeitnehmerin war bei der beklagten Arbeitgeberin als Mitarbeiterin im kaufmännischen Bereich beschäftigt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit unterbreitete sie einer Kundin ein Angebot über eine Waschtischplatte, die allerdings in der angebotenen Form technisch nicht durchführbar war. Daraufhin erklärte der Geschäftsführer der beklagten Arbeitgeberin der klagenden Arbeitnehmerin, in Anwesenheit der Personalleiterin, dass der Kundin eine alternative Waschtischplatte angeboten werden soll. Die Klägerin bot der Kundin dann telefonisch die alternative Waschtischplatte an, diese erteilte einen entsprechenden Auftrag.

Kurz danach mahnte die beklagte Arbeitgeberin die klagende Arbeitnehmerin ab, weil sie es unterlassen habe, der Kundin zu der neu angebotenen Waschtischplatte ein Foto zu übersenden. Die klagende Arbeitnehmerin bestreitet, überhaupt von dem Geschäftsführer der beklagten Arbeitgeberin dazu aufgefordert worden zu sein.

Arbeitgeber zur Herstellung von Waffengleichheit verpflichtet? Auf Grund bereits länger bestehender Unzufriedenheit mit der Arbeitsleistung der klagenden Arbeitnehmerin entschloss sich die beklagte Arbeitgeberin, der klagenden Arbeitnehmerin im Rahmen eines Personalgesprächs, in Anwesenheit des Rechtsanwalts der Beklagten, einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Unter Vermeidung des Wortes „Kündigung“ wurde der Klägerin dann ein Aufhebungsvertrag angeboten und zwar mit der Begründung, dass der Geschäftsführer der Beklagten wegen des Vorgangs um die Waschtischplatte nach wie vor erheblich verärgert sei. Der Rechtsanwalt der Beklagten las der Klägerin den Aufhebungsvertrag vor, eine weitergehende Erörterung  fand nicht statt. Die Klägerin unterzeichnete den Vertrag.

Die Vorinstanzen

Arbeitgeber zur Herstellung von Waffengleichheit verpflichtet? Wenig später erhob die klagende Arbeitnehmerin erfolgreich Feststellungsklage gegen die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages. Sie habe eigentlich Bedenkzeit haben wollen und den Aufhebungsvertrag lediglich sofort unterschrieben, weil sie ausdrücklich dazu aufgefordert worden sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der beklagten Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht (LArbG).

Arbeitgeber zur Herstellung von Waffengleichheit verpflichtet? Dazu das LArbG Hamm:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Nach Ansicht des LArbG ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wirksam durch den Aufhebungsvertrag aufgelöst worden.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin nicht durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (z.B. fristlose Kündigung durch Arbeitgeber und Ausnutzung einer Schwäche des Arbeitnehmers) zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages bestimmt worden ist. Eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages komme daher nicht in Betracht.

Aber auch ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB scheidet nach Auffassung des Gerichts aus. Zwar hat der Arbeitgeber bei seinen Maßnahmen gegenüber dem Arbeitsgeber stets dessen Rechts, Rechtsgüter und Interessen im Rahmen seiner vertraglichen Nebenpflichten (sog. Fürsorgepflichten) zu berücksichtigen, der Beklagten oblag im konkreten Fall jedoch keine besondere Pflicht, die sie verletzt haben könnte.

Arbeitgeber zur Herstellung von Waffengleichheit verpflichtet? Es bestehe keine Pflicht, vor Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages eine Bedenkzeit einzuräumen. Das gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer keine derartige Bedenkzeit gefordert hat. Die Beklagte musste der Klägerin auch nicht die Möglichkeit einräumen den Aufhebungsvertrag mit ihrem Rechtsanwalt zu besprechen. Soweit es überhaupt ein Gebot der Waffengleichheit außerhalb des Prozessrechtes gibt, kann der Arbeitgeber nicht dagegen verstoßen, wenn der Arbeitnehmer nicht von sich aus die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes verlangt. Abschließend lag nach Ansicht des Gerichts auch keine Verletzung einer besonderen Aufklärungspflicht seitens der Beklagten vor.

Was lernen wir daraus?

Arbeitgeber treffen im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Aufhebungsvertrag keine besonderen Aufklärungs- oder Hinweispflichten.

Es kann sein, dass sich ein Arbeitnehmer nicht sicher ist und eine Bedenkzeit haben oder einen Rechtsrat einholen möchte. Dann muss er allerdings von sich aus mit dem Arbeitgeber eine angemessene Frist zu Annahme des Angebotes auf Aufhebung des Arbeitsvertrages vereinbaren. Verweigert der Arbeitgeber dies, kann der Arbeitnehmer (wie zu jedem Stadium der Vertragsverhandlungen auch) den Vertragsschluss ablehnen.

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Rolf Heinemann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwalt Rolf Heinemann: Arbeitgeber zur Herstellung von Waffengleichheit verpflichet? Dazu hat das LArbG Hamm, Urt. v. 09. Juni 2011, – 15 Sa 410/11 -, entschieden. Fragen Sie Ihren Anwalt für Arbeitsrecht in unserer Kanzlei